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Die Reputation Economy

Die Story bringt’s: Wie Konsumentenbewertungen auf Kaufentscheidungen wirken

Tom van Laer

Keywords

Konsumentenentscheidungen, Konsumentenbewertungen, Online-Reviews, Storytelling

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Wer überzeugen will, eröffnet mit einem Knalleffekt
Hilfreiche Bewertungen sind wie gute Filme oder ein guter Roman: Wenn man sofort in den Bann gezogen wird – bleibt man dran und merkt sich den Plot. Trotz ihrer Kürze erzählen auch Konsumentenbewertungen eine Geschichte, für die die gleichen Gesetzmäßigkeiten gelten wie für einen Roman. Wer überzeugen will, sollte mit Dramatik, etwas Sensationellem oder der Quintessenz beginnen und den besten Part nicht für den Schluss aufsparen. Dies ist ein zentrales Ergebnis der Forschungsarbeiten, die meine Kollegen und ich zur Überzeugungskraft von Konsumentenbewertungen durchgeführt haben. Egal ob man ein Hotelzimmer bucht, ein Restaurant auswählt, sich für einen Film entscheidet oder ein anderes Produkt kauft: Sehr wahrscheinlich hat man vor seiner Entscheidung eine Online-Bewertungen gelesen. Angesichts des enormen Einflusses von Bewertungen besteht großes Interesse daran, die Eigenschaften zu kennen, die diese fesselnd und überzeugend machen. Woran entscheidet sich, ob eine Konsumentenbewertung wirkt?

Hilfreiche Bewertungen zeigen, wer was wann und warum getan hat
Tatsächlich findet man in Bewertungen dieselben Elemente, die auch die Leser eines Romans fesseln. Eine gute Geschichte – egal, wie kurz – hat die Macht, Sie zu fesseln und einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, wenn sie auf bestimmte erzählerische Elemente setzt. In drei Studien haben wir versucht, diese Elemente zu identifizieren. In der ersten analysierten wir auf Tripadvisor, welche Bewertungen Konsumenten als besonders hilfreich empfanden (siehe Box 1). In der zweiten Studie bewerteten Teilnehmer der Crowdsourcing-Plattform Amazon Mechanical Turk, als wie ansprechend und hilfreich sie ausgewählte Bewertungen empfanden. In der dritten Studie lasen 156 Studierende Bewertungen über eine Reise nach Agra, Indien, und beurteilten sie nach den gleichen Kriterien wie in Studie 2 bezüglich ihrer Nützlichkeit. Zusätzlich gaben sie an, wie gern sie nach der Lektüre der Bewertungen selbst nach Agra reisen wollten.  Alle drei Studien zeigten, dass die Bewertungen umso fesselnder und überzeugender wirkten, je mehr erzählerische Elemente vorhanden waren (siehe Abbildung 1). Die überzeugendsten Bewertungen geben an, wer was wo, wann und warum getan hat, und setzen mit emotionalen Höhepunkten oder Wechselbädern ein.

Warum es wichtig ist, hilfreiche Bewertungen zu schreiben und zu erkennen
Online-Bewertungen unterscheiden sich von Offline-Bewertungen in ihrer Anzahl und Reichweite sowie in der Fachexpertise ihrer Verfasser. Heute stehen den Konsumenten mehr Meinungen und nutzergenerierte Inhalte zur Verfügung als je zuvor. Sowohl die Anzahl als auch die Reichweite der Bewertungen ist enorm: Sie behandeln nicht nur käuflich zu erwerbende Produkte oder Dienstleistungen, Konsumenten verfassen selbst über nicht kommerzielle Erfahrungen Bewertungen, wie zum Beispiel über den Besuch der Großen Moschee in Mekka. Geschrieben werden diese nicht von einer Handvoll Elite-Rezensenten, sondern jeder kann heutzutage über jeden Kauf oder jede Erfahrung schreiben und so zur Verbreitung und Demokratisierung von Fachwissen beitragen. Jeder Konsument mit einem Internetanschluss und einer Meinung kann sich selbst als Experte betätigen. Der Vorteil ist, dass andere dadurch Zugang zu unterschiedlichsten Perspektiven haben und nicht nur der Einschätzung professioneller Schreiber „ausgeliefert“ sind. Andererseits kann man die Qualität vieler Bewertungen in Frage stellen. Außerdem droht bei der enormen Informationsflut auch Informationsüberlastung. Hinzu kommt natürlich das große Problem gefälschter Bewertungen, die zur Täuschung von Konsumenten und zum Betrug an diesen führen. Tripadvisor hat in einem Bericht enthüllt, dass allein im Jahr 2018 mehr als eine Million gefälschter Bewertungen von der Plattform entfernt wurden.
Offensichtlich gibt es Bedarf für die Kuratierung digitaler Inhalte durch Manager und Rezensenten. Konsumenten kaufen jedenfalls eher dann, wenn die Bewertung eine fesselnde Geschichte erzählt – daran gibt es keinen Zweifel. Und genau hier können Influencer, professionelle Rezensenten, Software-Entwickler, Veranstaltungsmanager, Werbetreibende und Manager sozialer Netzwerke ansetzen, um die Qualität von Bewertungen zu steigern.

Wie man überzeugende Bewertungen (für die richtigen Erfahrungen) sicherstellt

Welche Geschichte wie erzählt wird, ist für die Wirkung entscheidend. Deshalb müssen wir neue Fähigkeiten erwerben, um in der Rating-Ökonomie erfolgreich zu sein.

  • Bewusstsein für erzählerische Unterschiede schaffen
    Zunächst einmal müssen Marketingmanager und Konsumenten den Einfluss narrativer Elemente erkennen, um bewusst damit spielen zu können. Sie müssen erst lernen, wie man Online-Bewertungen richtig interpretiert. Dazu müssen sie kritisch lesen und verstehen, wie man sich auf unterschiedliche Meinungen oder Perspektiven einen Reim machen kann. Auch die Rolle, die gute Geschichten für den Diskurs über Konsumerfahrungen spielen, sollte vielen noch bewusster werden.
     
  • Kritisches Lesen
    Kritisches Lesen ist eine Praxis, die Markenmanager und Konsumenten bei allen Arten von veröffentlichten Texten üben sollten. Narrative Qualität ist nur schwer fälschbar. Wenn man also auf diese achtet, minimiert man damit die Gefahr, gefälschten Bewertungen zum Opfer zu fallen. Bei der Lektüre von Online-Bewertungen sollten Manager und Konsumenten überlegen, in welcher Ausgangssituation der Verfasser war, wo und wann die beschriebenen Erfahrungen stattfanden, wie sich die Emotionen in der Bewertung entwickeln und wo der Höhepunkt liegt. Auf diese Weise beschäftigen sie sich mit der Person des Schreibers und bekommen ein besseres Gefühl für die Nützlichkeit der jeweiligen Bewertung.
     
  • Investieren Sie in allen Bereichen in Fähigkeiten zum kreativen Schreiben
    Social Media Influencer sollten erkennen, dass es sich lohnt, in Kurse für kreatives Schreiben oder Storytelling zu investieren. Das ist erfolgversprechender als eine primär sachliche Analyse von Erfahrungen. Darüber hinaus kann es auch hilfreich sein, Software-Entwicklern auf allen Ebenen beizubringen, wie sie qualitätsvolle, nützliche Bewertungen von weniger hilfreichen unterscheiden können. Wenn sie diese Fähigkeit weiterentwickeln, können sie bereits die Plattformen so strukturieren, dass das Schreiben von mitreißenden, hilfreichen und überzeugenden Bewertungen gefördert wird. Außerdem können Programmierer dann leichter Algorithmen entwickeln, die echte und nützliche Bewertungen begünstigen. Auch viele Veranstaltungsmanager setzen sich mit Fragen der digitalen Schreibkompetenzen auseinander, um über neue digitale Medien mit Konsumenten in Kontakt zu treten. Eventmanager und Verantwortliche für Attraktionen, Hotels, Restaurants, Touren und anderen Aktivitäten könnten die Gesamtheit der beschriebenen Konsumentenerfahrungen als eine sich entwickelnde Geschichte strukturieren. Auch Werbetreibende und Manager sozialer Netzwerke sollten das Ziel verfolgen, die digitale Kompetenz zu fördern. Unsere computergestützte Methode kann dabei helfen, abzuschätzen, welche Bewertungen als ganz besonders hilfreich empfunden werden und wie groß ihr Einfluss sein könnte.

Der Einsatz unterschiedlicher erzählerischer Elemente beeinflusst, wie man Bewertungen wahrnimmt. Medienkompetenz kann viel bewirken. Wie man in unseren Untersuchungen der Erfahrungsberichte in Las Vegas sieht, kann jeder selbst mitentscheiden, ob das, was in Las Vegas angeboten wird, dort bleibt, ob es auf Tripadvisor weiter eingeblendet wird und ob wir es bei unserer nächsten Reiseplanung berücksichtigen werden.

Autor/en

Tom van Laer, Associate Professor of Narratology, University of Sydney, Australia tom.vanlaer@sydney.edu.au

Literaturhinweise

van Laer, Tom; Edson Escalas, J.; Ludwig, S.;  &. van den Hende, E. A. (2019): "What Happens in Vegas Stays on Tripadvisor? A Theory and Technique to Understand Narrativity in Consumer Reviews", Journal of Consumer Research, Vol. 46 (2), 267–85.

van Laer, T. & Izberk-Bilgin, E. (2019): "A Discourse Analysis of Pilgrimage Reviews", Journal of Marketing Management, Vol. 35 (5-6), 586-604.

van Laer, T.; de Ruyter, K.; Visconti, L. M.; & Wetzels, M. (2014): "The Extended Transportation-Imagery Model: A Meta-Analysis of the Antecedents and Consequences of Consumers' Narrative Transportation," Journal of Consumer Research, Vol. 40 (5), 797-817.