Das Wachstumsgebot
Aktionäre fordern Ertragswachstum und deshalb sind viele Unternehmen nahezu süchtig nach dem Ausbau ihrer Portfolios – sei es durch Mergers und Acquisitions, durch Produkteinführungen oder Markenerweiterungen. Die Entscheidungen darüber, wie neue Marken in die bestehenden Ökosysteme bzw. Markenarchitekturen eingebaut werden, fallen oft eher spontan als strategisch durchdacht. Solche Ad-hoc-Architekturen sind ein Risikofaktor, den Manager gerne unterschätzen.
Anders als oft von der Marktforschung prognostiziert, stellt gemäß unserer Forschung eine Submarkenstrategie keine Risikolimitierung, sondern ein erhöhtes Risiko dar. Von allen Markenarchitekturen ist die Submarkenstrategie, wie sie beispielsweise Apple mit seinen I-Produkten oder BMW mit seinen 7er-, 5er- und 3er-Serien fährt, die riskanteste. Manager, die diese Variante wählen, wiegen sich in falscher Sicherheit vor Kannibalisierung, Verwässerung oder Überdehnung. Tatsächlich sind es gerade die vermeintlichen Pluspunkte – Märkte breiter bedienen zu können und in Kategorie-fremde Märkte einzutreten –, die das Risiko steigern.
Endorsed-Branding-Architekturen wie Post-it Notes von 3M schaffen mehr Distanz zur Unternehmensmarke. Zur Risikokontrolle ist diese Markenstrategie besser geeignet, aber die Markenbildungskosten sind höher und die erwartbaren Rückflüsse niedriger.
Wer die beste Risikosteuerung anstrebt, sollte eine House-of-Brands-Strategie forcieren, bei der mehrere unterschiedliche Markennamen eingeführt werden, auch wenn das zulasten möglicher Erträge geht. Wer meint, eine bessere Risikokontrolle durch eine diversifizierte Markenarchitekturstrategie zu erreichen, sollte lieber noch einmal darüber nachdenken: Ein hybrider Mix ermöglicht leider keine bessere Risikosteuerung.
Box 2: 10 Schlüsselfragen, die Managern helfen, ihre Markenrisiken abzuschätzen
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Ist Ihre Produktkategorie in hohem Maße politischen Risiken ausgesetzt?
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Ist Ihre Marke Teil vieler soziokultureller Konversationen, wenn man Pressemeldungen und Erwähnungen in Social Media betrachtet?
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Sind die zentralen Markenbedeutungen konkret und zugespitzt oder mit einer bestimmten Produktkategorie verbunden?
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Ist Ihre Marke breit aufgestellt und umfasst zahlreiche Produktlinien, Preisniveaus und Kategorien?
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Ist Ihre Marke mehr bekannt als beliebt?
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Ist Ihre Marke stark mit einer Person verbunden, wie z. B. dem Gründer oder einer bekannten Person als Werbeträger?
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Kommuniziert Ihr CEO oder Eigentümer viel mit der Öffentlichkeit oder mit Medien oder bloggt und twittert er regelmäßig?
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Fehlt Ihrem Markenmanagement -Team professionelles Know-how in Krisenmanagement, PR oder rechtlichen Grundlagen?
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Fließt ein hoher Anteil Ihres Werbebudgets in digitale Werbung, die auf den Surfverläufen der Konsumenten basiert?
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Fahren Sie eine Dachmarkenstrategie, bei der viele Produkte unter demselben Markennamen angeboten werden?
Je öfter Sie mit “ja” antworten, desto stärker ist Ihre Marke Risiken ausgesetzt. Jedes einzelne „ja“ erfordert Aufmerksamkeit und sollte umsichtig gemanagt werden, um mögliche Schäden von der Marke fernzuhalten.
Wie man erfolgreich eine Markenrisikoperspektive implementiert
Marken nach Risikogesichtspunkten zu managen, funktioniert anders als nach Ertragskriterien. Je exponierter die Marke in puncto Risiko ist (siehe Box 2 für eine Abschätzung des eigenen Markenrisikoprofils), desto mehr Aufmerksamkeit sollten die Führungskräfte dem Thema widmen. Vor allem drei grundsätzliche Einstellungen sind wichtig, wenn man Risikodenken in die Marketingphilosophie integrieren will.
- Definieren Sie Marketingkompetenzen nicht zu eng
Risikobewusste Manager müssen die Fähigkeiten neu definieren, die Marketingkompetenz ausmachen. Krisenmanagement bildet das Rückgrat des Rüstzeugs und ist in den heutigen hypersensiblen Märkten weit mehr als ein Notfallplan. Fast täglich ist die Krisenfeuerwehr gefragt, um Markenbedeutungen mit Konsumenten auszuverhandeln und in trockene Tücher zu wickeln. Der Wert einer Marke kann heute durch einen einzigen Tweet, ein Facebook-Posting oder einen populären Blog urplötzlich bedroht sein. Identifizieren Sie deshalb die spezifischen Risiken, die Ihre Marke betreffen. Beurteilen Sie deren Gefahrenpotenzial. Entwickeln Sie Aktionspläne für die entsprechenden Risiken. Holen Sie sich für die Ausbildung Ihrer Markenmanager PR- und Medienspezialisten, die verstehen, wie man Marken am besten im Alltag verankert. Heuern Sie Rechtsexperten an, die Risikomanagement kennen und können. Verstärken Sie Ihr Team mit Soziologen, die das Wesen und die Dynamiken von co-kreierten Marken verstehen.
- Bleiben Sie selbstkritisch
Risikomanagement konzentriert sich auf Gefahren, Schwächen und wunde Punkte anstatt darauf, Verkaufszahlen anzukurbeln. Das erfordert eine selbstkritische Denkweise und den Willen zu akzeptieren, dass konventionelles Wissen vielleicht nicht immer zum Ziel führt. In der Welt des Risikos kann Bekanntheit ein Nachteil sein und Markenerweiterungen können Markenwert zerstören. Eine durchmischte Portfolio-Strategie eignet sich nicht unbedingt zum Wegdiversifizieren von Risiken. Ein Risikomanager darf in einem Spiel, dessen Regeln sich laufend ändern, keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Jede Aktivität sollte im Nachhinein genau analysiert werden, um deren strategische Fehler zu erkennen.
- Handeln Sie proaktiv
Für eine effektive Risikosteuerung im Branding müssen Manager die einzelnen Risiken systematisieren. Eine solche Risikoevaluierung zeigt nicht nur markenindividuelle Angriffspunkte, sondern auch kategoriespezifische Risikoprofile, die als Input für Marketingentscheidungen wesentlich sind. Luxusmarken und ihr exklusives Image sind am verwundbarsten gegenüber Verwässerung. Lifestyle-Marken hingegen sind Reputationsrisiken stärker ausgesetzt, weil sie eng mit kulturellen, oft heiß diskutierten Werten verknüpft sind. Personenmarken wie Martha Stewart stehen wiederum anderen Herausforderungen gegenüber als klassische Konsumprodukte: Menschen sterben, haben Freunde und Familie, und diese Faktoren beeinflussen die Bilanz aus Chancen und Risiken. Auch die Art der Beziehung, die Menschen mit Marken verbindet, ist für Risikoüberlegungen wichtig. Hupp, Robbins und Fournier (S. ) beschreiben „gefährdete“ Beziehungen, die vor allem in Krisen besondere Aufmerksamkeit benötigen, um negative Auswirkungen auf den Markenwert zu minimieren. Hanssens, Fischer und Shin zeigen, dass Marketingmanager auch die Wechselwirkungen zwischen Marketingentscheidungen und Cashflow-Volatilität beachten sollten, und geben Empfehlungen für die Steuerung dieses Volatilitätsrisikos.
Die Chancen und Risiken im Markenmanagement sind genauso untrennbar miteinander verbunden wie Licht und Schatten. Die Schattenseiten zu sehen – ihre möglichen Formen, Schattierungen und die Winkel, aus denen sie kommen – hilft bei der Vorbereitung und verhindert, dass man im Dunkeln stolpert.