Markenmanagement in einer post-rationalen Welt
Durch die Vermittlung subjektiver Wirklichkeiten (siehe Box 1) setzen sich Marken selbst einem Risiko aus. Allerdings gefährden die Unmengen an sonstigen Fake News, die typisch für unsere postrationale Gesellschaft sind, Marken noch viel mehr. Um mit beiden Risikoquellen richtig umzugehen, schlagen wir zwei unterschiedliche Lösungswege vor: technische Lösungen, die Fake News aufspüren und umgehen helfen, und systemische Schritte, die das übliche Markenmanagement überdenken. Sie stellen einen neuen Zugang zu Marken dar, der sie gewissermaßen gegen Fake News immunisiert, indem er eine bessere Vertrauensbasis mit den eigenen Stakeholdern fördert.
Technische Lösungen, um die Beschädigung von Marken zu verhindern
Durch technische Maßnahmen können alle vier Formen des Zusammenspiels von Marken und Fake News angegangen werden, die in Abbildung 1 dargestellt sind: ermöglichen, legitimieren, kontaminieren und Zielscheibe sein. Natürlich hängt das Ermöglichen durch entsprechende Finanzierung mit dem Legitimieren und Kontaminieren zusammen und sollte in doppelter Hinsicht angegangen werden. Erstens kann man versuchen, die Platzierung von Markenwerbung im Dunstkreis von Fake-News-Berichten zu minimieren, und zweitens muss man sich Möglichkeiten der Schadensbegrenzung überlegen, wenn es doch zu Überlappungen kommt.
Um möglichst selten Markenwerbung im Umfeld von Fake News zu platzieren, muss die Methodik der gezielten Kundenansprache modifiziert werden. Von Logarithmen angesteuerte Seiten sollten von geschulten Beobachtern überprüft werden, ähnlich wie auch Wikipedia zweifelhafte Inhalte überprüft. Längerfristig könnten menschliche Beobachter durch Deep-Learning-AI-Programme unterstützt werden, denen man die Identifikation von Fake News beigebracht hat. Zusätzlich könnte man auch Konsumenten dazu anhalten, Fake News zu identifizieren und zweifelhafte Inhalte und ihr Webumfeld entsprechend zu markieren.
Wenn eine unglückliche Platzierung von Markenwerbung im Dunstkreis von Falschmeldungen passiert, gibt es wiederum zwei Möglichkeiten der Abhilfe: Einerseits kann man Konsumenten darüber informieren, dass die Platzierung durch automatisierte Algorithmen ausgelöst wurde. Das könnte auf ähnliche Art und Weise funktionieren, wie Firmen momentan vor Pishing-Attacken warnen. Andererseits könnte man Markenwächter einsetzen, die Manager alarmieren, sobald unpassend platzierte Markenwerbung aufscheint.
Systemische Zugänge, um Fake-News-Risiken zu reduzieren
Bei den systemischen Lösungen geht es um ein grundsätzliches Überdenken von Marken und deren Management. Wer so vorgehen will, sollte sich zunächst lange und schonungslos einen Spiegel vor Augen halten und sich ehrlich eingestehen, dass auch die Geschäftswelt ein wesentlicher Mittäter bei der Schaffung unserer post-rationalen Kultur war und ist (siehe Box 1). Viel zu oft wurden die Marken, losgelöst von der Realität und ihren eigentlichen Leistungen, selbst zum Maß aller Dinge. Toyota wurde allerdings nicht durch die Vermittlung von Magie zum bedeutendsten Autoproduzenten, sondern durch das Fabrizieren zuverlässiger Autos. Tesla ist nicht durch sein Versprechen ökologischer Nachhaltigkeit aus dem Nichts zum größten Produzenten von Elektroautos aufgestiegen. Sie erreichten diese Position, weil die elektrischen Autos besser waren als die benzingetriebenen – auch wenn der ökologische Gedanke geholfen hat.
Nicht die Marken an sich sind das Maß aller Dinge, sie sind nur ein Ausdruck außergewöhnlichen Angebots. Natürlich können sie als Rahmen für interpretative Spielräume fungieren, aber sie schaffen keine einheitlichen Wirklichkeiten, wie viele zu glauben scheinen. Indem man Marken nicht als Objekte, sondern als Prozesse und insbesondere als Wahrnehmungsprozesse betrachtet, kann man einen anderen Managementzugang wählen (siehe Box 2).