Entwicklungen, Entscheidungen, Meilensteine – Ein Interview mit Professor Frank Wimmer
Prof. Dr. Frank Wimmer begleitete den Verein durch eine bewegte Vergangenheit, zu der auch eine Begegnung mit Ephraim Kishon zählt.
Herr Professor Wimmer, wie sind Sie mit dem NIM, ehemals GfK e.V., ursprünglich in Kontakt gekommen?
Professor Wimmer: Das ist jetzt schon 40 Jahre her. Der Verein, damals Gesellschaft für Konsumforschung e. V. und heute NIM e. V., war Herausgeber des „Jahrbuchs der Absatz- und Verbrauchsforschung“, das bereits 1954 von den Gründern des Vereins etabliert worden war. Als ich im Jahr 1985 den Lehrstuhl für BWL, insbesondere Absatzwirtschaft, an der Universität Bamberg übernahm, beobachtete ich das GfK-Jahrbuch und seine Inhalte mit großem Interesse. Da ich zu dieser Zeit bereits ersten Kontakt zum GfK e. V. hatte, bot ich diesem an, aufgrund meiner fachlichen Expertise bei der Auswahl und beim Redigieren der Beiträge unterstützend zu beraten, insbesondere auch bei der Akquisition von Beiträgen aus dem Bereich der Wissenschaft. Von 1991 bis 2008 übernahm ich dann die Verantwortung für die Schriftleitung des Jahrbuchs. Und was mich besonders freut: Der Nachfolger des GfK-Jahrbuchs existiert heute immer noch – 2008 wurde das Jahrbuch durch das Marketingjournal „Marketing Intelligence Review“ abgelöst.
Über Jahrzehnte haben Sie dann als Vereinsvorstand, Präsidiumsmitglied und Mitglied im Verwaltungsrat die Entwicklungen des Vereins mitbestimmt. Was waren Ihre wichtigsten Stationen?
Die wechselvolle und spannende Entwicklung des Vereins habe ich in verschiedensten Positionen begleitet. 1990 wurde ich in den Vereinsvorstand gewählt und fünf Jahre später war ich, bis zum Jahr 1996, Alleinvorstand. Im selben Jahr wurden im Verein die Organe „Vorstand“ und „Präsidium“ zum neuen Präsidium zusammengefasst, was vereinsrechtlich sozusagen der Vereinsvorstand war. In diesem Gremium hatte ich von 1996 bis 2004 – neben Peter Zühlsdorff und Helga Haub – das Amt des Vizepräsidenten inne. Im Jahr 2004 schied ich wegen Erreichens der Altersgrenze satzungsgemäß aus dem Präsidium aus. Anschließend gehörte ich bis 2014 dem Verwaltungsrat an, einem Gremium aus hochrangigen Führungskräften von Mitgliedsunternehmen, das heute nicht mehr existiert.
Was waren in dieser Zeit die wichtigsten Entscheidungen im Verein und was Ihre prägendsten Erfahrungen?
Ausschlaggebende Entscheidungen waren im Laufe der Jahrzehnte sehr viele zu treffen – ich will hier nur einen der Meilensteine erwähnen: Nach der 1984 erfolgten Ausgliederung der gewerblichen Aktivitäten aus dem Verein in eine GmbH, später GfK AG, war eine Grundsatzentscheidung notwendig. Der Verein brauchte dringend ein neues Selbstverständnis und eine neue Mission. Dieses Thema fiel in meinen Aufgabenbereich als Vereinsvorstand und später als Vizepräsident. Worin sollte künftig die Kernaufgabe des Vereins bestehen? Wofür sollte der Verein ab jetzt die finanziellen Mittel verwenden, die ihm als Aktionär der GfK zuflossen? Zu diesen Fragen gab es lange und kontroverse Debatten. Letztlich wurde beschlossen, dass der Verein das operative Geschäft mit seinen Zielsetzungen unterstützen, aber komplett unabhängig von dessen Vorstand handeln soll. Zudem wurde festgelegt, dass sich der GfK e. V. künftig auf Grundlagenuntersuchungen zu Konsumtrends konzentrieren wird. Damals wurde beispielsweise die Studienreihe „Sorgen der Nation“ ins Leben gerufen, die es heute noch gibt und in erweiterter Form vom NIM als „Challenges of Nations“ fortgeführt wird.
Gibt es ein Erlebnis oder Ereignis, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Für den Erhalt der Eigenständigkeit der GfK AG und indirekt auch für den Verein als deren Gründer und Hauptaktionär gab es ein wichtiges Ereignis im Jahr 2008: Damals verfolgten der GfK-Vorstand und -Aufsichtsrat konkrete Pläne für eine Fusion von GfK und Taylor Nelson Sofres (TNS). In den Führungsriegen der GfK – und auch im Präsidium des Vereins – hatte man sich mehrheitlich für diesen doch eingreifenden Schritt ausgesprochen. Unter den Mitgliedern des Vereins bildete sich allerdings zunehmend Widerstand gegen diese Pläne und es kamen erhebliche Zweifel auf, ob der Zusammenschluss für die GfK AG wirklich sinnhaft ist. Als Mitglied des Verwaltungsrats hatte ich mich privat mit externen Experten ausgetauscht und kam für mich zu dem Schluss, dass eine Fusion für die GfK AG und ihre Mitarbeiter nicht vorteilhaft wäre. Ich leistete im Verein daher intensive Überzeugungsarbeit gegen den Zusammenschluss. Nach vielen Gesprächen gelangte man im Verein schließlich zu der Einsicht, dass die Bedingungen weder im besten Interesse der GfK AG noch des Vereins waren, sodass man den Plan zur Fusion der Mitgliederversammlung nicht mehr zur Zustimmung vorlegte. Die GfK blieb somit eigenständig und der Verein weiterhin Mehrheitsaktionär des Unternehmens.
Die Forschungsinhalte des Vereins haben sich aktuellen Trends angepasst: Heute erforscht das NIM als unabhängiges, international ausgerichtetes Non-Profit-Institut, wie sich Entscheidungen von Konsumenten durch gesellschaftliche Entwicklungen und neue Technologien verändern.
Prof. Dr. Frank Wimmer
Wie hat sich der Verein Ihrer Meinung nach über die Jahre verändert und entwickelt?
Der Gesellschaft für Konsumforschung e. V. wurde vor 90 Jahren von Wilhelm Vershofen, Erich Schäfer und Ludwig Erhard als Verein gegründet. Damals schon war das Ziel, die Konsumenten besser zu verstehen und ihre Bedürfnisse nach dem Leitsatz „Die Stimme des Verbrauchers zum Klingen bringen“ zu analysieren. Dieser Leitsatz gilt bis heute. Echte Meilensteine waren im Jahr 1996 die Neupositionierung und 2019 die Umbenennung in Nürnberg Institut für Marktentscheidungen, kurz NIM. Vor dem Hintergrund einer ganz klaren Trennung in eine kommerzielle und eine nichtkommerzielle Organisation wurden die Rechte am GfK-Logo, die der Verein damals teilweise noch besaß, an die GfK abgetreten und ein komplett neuer Vereinsauftritt geschaffen. Die Forschungsinhalte des Vereins haben sich aktuellen Trends angepasst: Heute erforscht das NIM als unabhängiges, international ausgerichtetes Non-Profit-Institut, wie sich Entscheidungen von Konsumenten durch gesellschaftliche Entwicklungen und neue Technologien verändern.
Gibt es eine persönliche Anekdote zum Institut, die Sie erlebt haben und mit uns teilen möchten?
Im Jahr 1996 war es meine Aufgabe, mich um den berühmten Ephraim Kishon zu kümmern. Er war als Key Note Speaker zur GfK-Jahrestagung eingeladen worden und nahm am Vorabend schon am Festessen des Verwaltungsrats teil. In diesen beiden Tagen ergab sich durch ausführliche Gespräche ein sehr persönlicher Kontakt, bei dem mir Kishon seine spannende Lebensgeschichte als ungarisch-jüdischer Autor anschaulich und, trotz aller widrigen Erfahrungen, mit einer Portion Humor berichtete. Für mich war das ein sehr beeindruckendes Erlebnis, an das ich mich noch heute gern erinnere.
Prof. Dr. Frank Wimmer war bis 2009 Inhaber des damaligen Lehrstuhls für BWL an der Universität Bamberg und ist bis heute aktiv in der Lehre tätig zu Themen wie Nachhaltigkeit und Verantwortung im Management.