
Vor gut zwei Monaten war es wieder soweit: In Nürnberg traf sich die Branche zur „Biofach“, der weltweit größten Fachmesse für Ökolebensmittel, die jährlich im Verbund mit der Naturkosmetik-Messe Vivaness stattfindet. Etwa 3.000 Aussteller präsentierten bewährte und innovative Produkte von A wie Arganöl bis Z wie Zartbitteraufstrich mit Kokos, um die Geschmackswünsche der rund 50.000 Besucher zu erfüllen. Doch auch jenseits der Messehallen gibt es längst eine unüberschaubare Vielzahl an Lebensmitteln aus biologischer Produktion – egal, ob der Konsument klassische Hausmannskost mag, vegan lebt, unkomplizierte Convenience-Produkte bevorzugt oder Super-Food auf dem Speiseplan stehen hat. Die breite Produktpalette der Anbieter hat sicherlich dazu beigetragen, dass „Bio“ zum Trend für viele Verbraucher wurde. So geben die Deutschen seit Jahren stetig mehr von ihrem Lebensmittelbudget für Bio-Waren aus.
Im Jahr 2017 lag der Bio-Anteil an den gesamten Lebensmittelausgaben inklusive Getränke bei 5,4 Prozent. Ein Blick auf die Entwicklung in den letzten Jahren zeigt dabei ein kontinuierliches Wachstum: Seit 2004 hat sich der Bio-Anteil an den Lebensmittelausgaben mehr als verdreifacht. Und auch die jüngste Entwicklung von 2016 auf 2017 brachte noch einmal ein Plus von 0,2 Prozentpunkten. Dies zeigen Ergebnisse des GfK-Haushaltspanels, in dem 30.000 Haushaltsführende regelmäßig über ihre gesamten Einkäufe täglicher Verbrauchsgüter berichten.
Die neuesten Zahlen belegen eines: Die Deutschen haben offenbar immer noch und vor allem immer öfter Appetit auf Bio-Lebensmittel und bescheren der Branche weiteres Wachstum. So bedeutet der aktuelle Ausgaben-Zuwachs einen Anstieg von gut 6 Prozent – und das trotz leicht rückläufiger Preise (-0,6 Prozent). Das Mengenwachstum lag damit sogar bei 6,7 Prozent.
Zu Beginn der Bio-Bewegung war das Angebot noch äußerst begrenzt: Körner, Trockenfrüchte und einige makrobiotische Spezialitäten – diese Lebensmittel machten im Wesentlichen das Sortiment von „Peace Food“ aus, einem mittlerweile geschlossenen Berliner Geschäft, das als erster Bio-Laden in Deutschland und Europa galt. Bio war damals kein Ernährungssiegel, sondern eine Lebenseinstellung, die bei „Peace Food“ stark von der indischen Yogalehre geprägt war. Fleisch, Wurst oder auch Alkohol aus ökologischer Produktion suchte man damals vergeblich, dafür gab es unter anderem bald Räucherstäbchen, Umweltpapier und Kerzen, wie der Berliner Tagesspiegel im Juni 2007 berichtete. Heute umfasst die Produktpalette der Bio-Anbieter ein Vielfaches an Lebensmitteln und Getränken, und die Konsumenten gehen natürlich längst nicht mehr nur in Naturkostläden, um ihren Bedarf zu decken. Am stärksten profitieren mittlerweile Supermärkte und Discounter vom Hunger auf ökologisch Produziertes, wie der Blick auf die Verteilung nach Einkaufsstätten zeigt. Knapp ein Viertel der Ausgaben für Bio-Speisen und -Getränke entfallen auf die Supermärkte, knapp dahinter folgen mit 22 Prozent die Discounter. Dies liegt sicherlich daran, dass die klassischen Einkaufsstätten neben den konventionellen Produkten immer mehr Bio-Ware in die Regale packen und dem Wunsch der Verbraucher nach einer naturbelassenen Ernährung nachkommen. Während Supermärkte und Discounter also bei den Ausgaben für ökologische Erzeugnisse fast gleichauf liegen, haben Aldi, Lidl & Co die Nase bei „nicht-bio“ ganz klar vorn. Sie sichern sich mit 39 Prozent den größten Anteil am Budget für konventionell erzeugte Lebensmittel, Supermärkte liegen mit einem Abstand von 10 Punkten dahinter.
12 Prozent der Ausgaben für Bio landen in den Kassen der Drogeriemärkte. Dass diese mit der Aufnahme ökologisch produzierter Lebensmittel ins Sortiment den richtigen Riecher hatten, zeigen die Daten zur Ausgabenverteilung ebenfalls. Bei konventionellen Speisen und Getränken rangieren dm, Rossmann & Co nämlich mit einem Ausgabenanteil von 1 Prozent lediglich unter „ferner liefen“, bei Bio-Waren erreichen sie dagegen das Zwölffache. So deutlich fällt die Differenz bei keiner anderen Einkaufsstätte aus. Andere Anbieter wie Direktvermarkter, Verkäufer auf Wochenmärkten und Biobauern können in puncto Öko-Produkte mit den Drogerien nicht mithalten: Auf sie entfallen lediglich 7 Prozent des Bio-Budgets – allerdings ist das immerhin mehr als doppelt so viel wie bei konventionellen Erzeugnissen (3 Prozent). Ebenfalls 7 Prozent der Bio-Ausgaben sichern sich die SB-Warenhäuser. Damit spielt der Verkauf von Öko-Produkten hier eine eher untergeordnete Rolle. Bei konventionell erzeugten Lebensmitteln kommt diese Einkaufsstätte schließlich auf gut das doppelte (15 Prozent). Bäckereien und Metzger rangieren sowohl bei bio als auch bei „nicht-bio“ am unteren Ende der Skala. 6 Prozent der Bio-Ausgaben und 7 Prozent des Budgets für konventionelle Produkte entfallen auf diese Einkaufsstätten. Schlusslicht ist aber in beiden Segmenten der Onlinehandel mit 3 (Bio) und 1 Prozent (konventionell) der Ausgaben. Naturkostläden, die Pioniere der Branche, haben mit dieser vielfältigen Konkurrenz zu kämpfen: Auf ihrem Konto landen aktuell aber immerhin 17 Prozent des Bio-Budgets – allerdings gilt dies inklusive der Bio-Supermärkte. Vermutlich vertraut ein durchaus relevanter Teil der Konsumenten den alten und neuen Spezialisten im Bio-Geschäft immer noch mehr als der Konkurrenz, die Bio-Lebensmittel nur als ein Angebot unter vielen vermarktet.
Doch wann achten die Kunden nun besonders auf das Bio-Siegel, wenn sie ihren Wocheneinkauf im Supermarkt, beim Discounter oder anderswo erledigen? Die Auswertung ausgewählter Warengruppen zeigt, dass deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Produkten bestehen: So stammt mit einem Anteil von 22,4 Prozent inzwischen mehr als jedes fünfte Ei aus ökologischer Landwirtschaft. Bei der Warenkategorie „Obst, Gemüse und Kartoffeln“ fällt der Anteil mit 8,9 Prozent schon deutlich geringer aus, wobei dies nur einen Durchschnittswert repräsentiert und somit einzelne Gemüse- und Obstsorten darüber liegen können. Molkereiprodukte, Nahrungsfette und Speiseöle sowie Brot und frische Backwaren kommen auf Werte zwischen 6,3 und 6,8 Prozent, Heißgetränke immerhin noch auf 5 Prozent. Diese Marke knacken Süßwaren mit einem Bio-Anteil von 4 Prozent nicht mehr. Frischfleisch und Geflügel, Konserven und alkoholfreie Getränke tragen in etwa drei Prozent der Fälle ein Bio-Siegel, bei verarbeiteten Fleisch- und Wurstwaren sind es 2,5 Prozent. Alkoholische Getränke rangieren unter den ausgewählten Warengruppen an letzter Stelle: Ihr Bio-Anteil erreicht nur 1,7 Prozent. Offenbar greifen die Kunden lieber zu konventionellem Bier, Wein oder Sekt – Bio-Alkohol ist unter den ausgewählten Warengruppen auch die einzige mit Anteilsverlusten (Veränderungsrate -5,4 Prozent). Andere Produkte dagegen konnten von 2016 auf 2017 teilweise deutlich zulegen. Zweistellige Zuwachsraten finden sich bei Nahrungsfetten und Speiseölen (16,3 Prozent), Konserven (15,7), Fleisch / Geflügel (13,2), alkoholfreien Getränken (12,3) sowie bei Molkereiprodukten (10,6). Auch bei Eiern, die in puncto Bio-Anteil im Ranking ganz vorn liegen, besteht noch Wachstumsspielraum. Von 2016 auf 2017 lag die Veränderungsrate bei 7,8 Prozent und damit ebenso hoch wie bei Fleisch- und Wurstwaren. Süßwaren kommen im gleichen Zeitraum auf ein Plus von 6,9 Prozent; Obst, Gemüse und Kartoffeln legten um 5 Prozent zu. Recht gering fällt das Wachstum bei Brot und frischen Backwaren sowie bei Heißgetränken aus (2,0 und 3,3 Prozent).
Bio oder nicht – diese Frage beantworten die meisten Deutschen zumindest hin und wieder mit „ja“. Nur in 6 Prozent der Haushalte, die im Panel über ihre Einkaufsgewohnheiten berichten, finden sich überhaupt keine Bio-Produkte. Weitere 25 Prozent gehören zu den Zufalls-Shoppern, die 1 bis 5 Mal pro Jahr bei den Öko-Produkten zugreifen – vermutlich jedoch eher aus Versehen oder mangels greifbarer konventioneller Alternativen. Entsprechend tragen sie nur verschwindend geringe 3 Prozent zum Umsatz bei. In allen übrigen Haushalten werden mehr oder weniger häufig gezielt Lebensmittel und Getränke mit Bio-Label gekauft. Am größten fällt die Gruppe der „Bio-Ab-und-Zu-Shopper“ mit 42 Prozent aller Haushalte aus, die für 20 Prozent der Bio-Umsätze verantwortlich sind. Sie kauften 2017 zwischen 6 und 25 Mal pro Jahr ökologisch produzierte Nahrungsmittel ein. Bio-Intensiv- und Bio-Häufig-Shopper sind zusammengenommen in ebenso vielen Haushalten vertreten wie die Zufalls-Shopper. Während die Häufig-Shopper mit einem Anteil von 15 Prozent 26 bis 50 Mal pro Jahr bei Bio zuschlagen, tun dies die Intensiv-Shopper, die 11 Prozent der Haushalte ausmachen, noch öfter. Entsprechend hoch ist ihr Beitrag bei den Ausgaben: Intensiv- und Häufig-Shopper sind zusammen für mehr als drei Viertel der Bio-Umsätze verantwortlich. Sie kaufen offenbar Bio, weil sie wirklich überzeugt von den Vorteilen ökologisch produzierter Lebensmittel sind.
Diese beiden Gruppen sind also besonders wichtig für Anbieter von Bio-Waren – und zwar recht unabhängig davon, um welche Produkte es geht. Intensiv-und Häufig-Shopper greifen bei fast allen ausgewählten Warengruppen etwa doppelt so oft zur Bio-Variante wie der Durchschnitt der Haushalte in Deutschland. Beispiel Bio-Ei: Stammt über alle Haushalte gerechnet gut jedes fünfte Ei aus ökologischer Produktion, sind es bei den beiden Bio-affinsten Gruppen 40,9 Prozent. Zudem sorgen sie dafür, dass bei fünf weiteren der ausgewählten Warengruppen zweistellige Anteilswerte zu verzeichnen sind: Obst, Gemüse und Kartoffeln, Milchprodukte, Fette und Öle sowie Heißgetränke und Backwaren, die in ihrem Einkaufskorb landen, tragen deutlich öfter ein Bio-Siegel als im Durchschnitt. Knapp unter der 10-Prozent-Marke finden sich Konserven (8,9 Prozent) und Süßwaren (8,7 Prozent) wieder. Alkoholfreie Getränke kommen bei den Häufig- und Intensiv-Shoppern immerhin noch auf einen Anteil von 7,4 Prozent, Wurst- und Fleischwaren auf 6,3 Prozent. Ebenso wie beim Durchschnitt aller Haushalte liegen alkoholische Getränke in dieser Rangliste auf dem letzten Platz (2,8 Prozent).
Wie man neue Kundengruppen und speziell die jüngeren Generationen – Stichwort Y und Z – von Bio überzeugen kann, war eines der Themen der Biofach-Konferenz „Next Generation“. Eingeladen war auch der Jugendforscher, Speaker und Trainer Simon Schnetzer, der die Ernährungsgewohnheiten dieser Generationen genau unter die Lupe genommen hat – ebenso wie die Gründe, warum Waren mit dem grünen Siegel eher selten in ihrem Kühlschrank landen. Einige seiner Erkenntnisse: Es fehlt an Wissen über den konkreten Nutzen der Produkte, an Vertrauen in die Siegel oder auch an den passenden Influencern. Diese sind für die Generation Y und Z neben den Eltern und Freunden selbstverständlich auch Youtuber, Instagramer und andere Social-Media-Player. Wie wäre es also, wenn künftig Bio-Bauern und -Anbieter in eigenen Blogs, Youtube-Channels oder in anderen sozialen Medien stärker über Bio informieren? Wenn sie via Smartphone und Kamera Einblick in ihre Produktionen geben und so Transparenz schaffen? Auch auf der Anbieterseite wachsen neue Generationen heran. Und mit ihnen die Chance, neue Wege für „mehr Bio“ zu beschreiten.
Quelle: GfK Bio Studie 2017; Datenbasis: GfK Haushaltspanel Deutschland
Rückfragen bitte an Helmut Hübsch oder Claudia Gaspar (E-Mail bitte an hello@nim.org).