
Wer vor der letzten Jahrtausendwende Reisen in anderen Ländern unternahm, sammelte in der Regel nach und nach Restbestände verschiedener Währungen zu Hause an. Die Münzen und Scheine hatten unterschiedliche Größen, Prägungen, Bilder und Farben – und waren nicht selten auch Sammelobjekte. Der Euro machte dann Schluss mit den Unterschieden, dem mühsamen Umrechnen und dem Umtauschen von Bargeld – zumindest in vielen europäischen Ländern. Mittlerweile gibt es Stimmen, die noch weitergehen und über eine komplette Abschaffung von Scheinen und Münzen zugunsten elektronischer Zahlungsmittel nachdenken (siehe z.B.: capital.de). Vom Alltag der deutschen Bevölkerung ist diese Vision noch weit entfernt. Derzeit hat fast jeder hierzulande Bares in den Taschen, wenn er aus dem Haus geht.
Nur 10 Prozent der Deutschen verlassen sich, wenn sie unterwegs sind, ausschließlich auf Karten oder Smartphone zur Bezahlung. Neun von zehn haben dagegen immer Münzen oder Scheine in Hosen-, Hand- oder anderen Taschen stecken. Das zeigen die Ergebnisse einer Umfrage des GfK Vereins vom Juli 2016, in der 2066 Personen, die repräsentativ für die deutsche Bevölkerung stehen, zu einigen Aspekten rund um das Thema Bargeld befragt wurden. Diese Affinität zum Bargeld variiert jedoch mit dem Alter – sie liegt zwischen 80 und 96 Prozent. Immerhin ein Fünftel(20 Prozent) der 14 bis 34-Jährigen nehmen oft kein Bargeld mit, wenn sie aus dem Haus gehen. Dieser Anteil sinkt mit zunehmendem Alter rapide: Nur noch 9 Prozent sind es bei den 35 bis 49-Jährigen, 6 Prozent bei den 50 bis 64-Jährigen und 4 Prozent bei den ab 65-Jährigen.
Nun besagt das Mitführen von Bargeld außer Haus allerdings noch nicht, dass die Barzahlung den elektronischen Zahlungsmethoden tatsächlich willentlich vorgezogen wird. Denn bargeldloses Bezahlen ist in Deutschland nicht überall zu jeder Zeit möglich – so z.B. beim Bäcker, am Kiosk oder im Taxi. Und auch in größeren Läden ist elektronisches Zahlen oft erst ab einer bestimmten Kaufsumme möglich. Wie steht es also grundsätzlich um das Verhältnis zu Maestro, Visa, Smartphone und Co. versus Bargeld? Auch wenn die Befragten die freie Wahl zwischen ‚Cash oder Credit‘ haben, ziehen es nach eigenen Angaben lediglich 25 Prozent derzeit vor, alltägliche Einkäufe unbar zu bezahlen. Und diesbezüglich gibt es einen noch wesentlich stärkere Unterschiede je nach Lebensalter: 37 Prozent sind es bei den 14 bis 34-Jährigen, ein knappes Drittel (32 Prozent) bei den 35 bis 49-Jährigen und ein knappes Fünftel (19 Prozent) bei den 50 bis 64-Jährigen. Am eindeutigsten fällt die Präferenz erneut bei Senioren ab 65 Jahren aus: 92 Prozent von ihnen würden trotz anderer Zahlungsmöglichkeiten das Bargeld vorziehen.
Ebenso eindeutig fällt die Entscheidung aus, wenn es um die Frage nach der grundsätzlichen Möglichkeit von Bargeldzahlungen geht: Wenn es heute eine Volksabstimmung zur Abschaffung des Bargelds gäbe – natürlich unter der Voraussetzung, dass man tatsächlich überall (also auch in kleinen Geschäften und zwischen Privatpersonen) bargeldlos bezahlen könnte – würden die Mehrheit der Deutschen nicht auf ihr gewohntes Bargeld verzichten wollen.
Bei dieser hypothetischen Volksabstimmung sprächen sich 64 Prozent der Deutschen mehr oder weniger entschieden gegen eine Abschaffung des Bargelds aus (entschieden zustimmen würden 44 Prozent, vermutlich zustimmen würden 20 Prozent). 14 Prozent sehen Vor- und Nachteile, ohne zu einer Entscheidung zu kommen. Und weiteren 10 Prozent ist die derzeitige Debatte pro und contra Bargeld gänzlich egal. Lediglich 12 Prozent würden vermutlich (8 Prozent) oder sogar entschieden (4 Prozent) für eine Abschaffung des Bargelds stimmen.
Nicht unerwartet zeigen sich erneut Alterseffekte. Das deutlichste Votum gegen die Bargeldabschaffung kommt von den über 65 Jährigen: 82 Prozent würden nicht auf ihr Bargeld verzichten wollen. Nur 4 Prozent von ihnen sind unentschieden, lediglich 8 Prozent desinteressiert und 6 Prozent wären dafür. Die Generationen, die sich lebhaft an die alte D-Mark erinnern, die sich – nicht immer freiwillig – an den Euro gewöhnen und in digitale Techniken einarbeiten mussten, bringen dem Bargeld viel Vertrauen und den elektronischen Zahlungsmitteln klare Skepsis entgegen. Umgekehrt sind es die Jüngsten, die mit digitalen Techniken aufgewachsenen 14- bis 34-Jährigen, die mit 19 Prozent die höchste Zustimmung zur Bargeld-Abschaffung äußern. Interessanterweise gibt es in dieser Gruppe aber auch größte Unsicherheit (19 Prozent Unentschiedene) und vergleichsweise viele Desinteressierte (13 Prozent). Wer also denkt, dass die Digital Natives gar keinen Bezug mehr zu handfesten Euros und Cent haben, irrt. Auch in dieser Altersgruppe sind immerhin 49 Prozent gegen eine Abschaffung von Cash als Zahlungsmittel. Offensichtlich zögern auch die jüngeren Befragten, ob sie von den Frühstücksbrötchen über die Kinokarte und dem Coffee to go bis zum Kneipenbesuch wirklich alles und jedes mit Karte oder Smartphone begleichen wollen.
Ein Blick auf die Geschlechterunterschiede zeigt, dass Männer etwas stärker für die Abschaffung des Bargelds votieren als Frauen. Letztere würden zu 68 Prozent am Bargeld festhalten. Aber auch bei den Männern spricht sich die Mehrheit (61 Prozent) letztlich gegen eine Abschaffung aus.
Wer kennt diese Situationen nicht? Eigentlich wollte man nur bummeln und dann findet man ein traumhaftes Paar Schuhe oder das aktuelle Smartphone im Angebot ohne wirklich gesucht zu haben. Dank Kartenzahlung ist dann ein Spontankauf möglich, ohne zum EC-Automaten laufen und Geld abheben zu müssen. Erfreulich. Doch andererseits kann es auch sein, dass man den Kauf im Nachhinein bereut, weil das Konto-Guthaben für den Monat damit überzogen wurde. Mit Bargeld kann so etwas nicht passieren. Tatsächlich spielt das Thema ‚Ausgabenkontrolle‘ eine wichtige Rolle, wenn es um die Gründe für oder gegen eine Bargeld-Abschaffung geht.
Kurioserweise wird das Argument sowohl von Befürwortern, als auch von Gegnern einer Bargeld-Abschaffung genannt. Beide Seiten geben an, dass man so einen besseren Überblick über seine Ausgaben habe. Allerding rangiert dieser Grund mit 30 Prozent ganz oben bei den Gegnern und mit 6 Prozent weit unten bei den Befürwortern.
Ebenfalls fast ein Drittel der Bargeldabschaffungs-Gegner nennt einen rein emotionalen Aspekt: nämlich, dass man Bargeld eben gewohnt sei und es gern bei sich habe bzw. sich damit wohlfühlt. Als weiterer wichtiger Grund werden Datenschutz-Argumente angeführt: 17 Prozent befürchten, dass man durch die Abschaffung des Bargelds zum gläsernen Kunden wird und alle finanziellen Transaktionen von Dritten nachvollzogen werden können. Dass Bargeld in bestimmten Situationen besser geeignet ist (z.B. für Trinkgeld, Geburtstagsgeld, Spardose, Urlaub), nennen 14 Prozent der Bargeld-Fans. 12 Prozent hegen eine generelle Skepsis hinsichtlich der Umsetzbarkeit einer bargeldlosen Gesellschaft und 10 Prozent sähen darin eine Einschränkung der eigenen Freiheit oder sogar Entmündigung. Offenbar wollen sie die Wahlfreiheit zwischen allen Optionen behalten. Auch Sicherheitsbedenken gegen Missbrauch bei Verlust der Karten werden von 6 Prozent geäußert. 5 Prozent führen eine Benachteiligung bestimmter Zielgruppen an. Diesbezüglich werden sozial Benachteiligte, Ältere im Allgemeinen oder Kinder und das Lernen vom Umgang mit Geld genannt. Dass Bargeld schlichtweg einfacher bzw. weniger umständlich als andere Zahlungsmittel ist, nennen 3 Prozent als Grund für ihre Ablehnung. Interessanterweise wird die von Experten in der öffentlichen Diskussion häufig heraufbeschworene Gefahr von Negativzinsen von keinem Befragten explizit genannt. Lediglich 0,8 Prozent beklagten, dass man dann nichts mehr zu Hause sparen könne.
Die meisten Argumente der Abschaffungs-Befürworter sind pragmatischer Art und haben mit persönlichem Komfort zu tun: 42 Prozent finden es praktisch, einfach nur noch eine Karte dabei haben zu müssen, 31 Prozent erwarten einen generell vereinfachten Zahlungsverkehr, 23 Prozent finden bargeldloses Zahlen allgemein bequemer oder praktischer, ohne spezifische Aspekte hervorzuheben, und 9 Prozent erwarten, dass eine ausschließlich elektronische Abwicklung schneller und damit zeitsparend ist. Sich den Gang zum Geldautomaten zu sparen empfinden 8 Prozent als Vorteil und 4 Prozent freuen sich über die leichtere Möglichkeit von Spontankäufen.
Weitere 23 Prozent empfinden das elektronische Zahlen als sicherer, weil sie kein Bargeld verlieren oder beraubt werden können. Und 6 Prozent argumentieren – wie schon erwähnt – mit einem besseren Überblick über ihre Ausgaben anhand der elektronischen Abrechnungsunterlagen. Wiederum erstaunlich selten wird dagegen ein von Experten häufig angeführtes Argument genannt: Kriminalitätsbekämpfung rangiert mit gerade einmal 2 Prozent weit unten auf der Liste der Nennungen der Abschaffungsbefürworter.
Ob sich das Bargeld langfristig behaupten wird oder über kurz oder lang in auch in Deutschland ausstirbt, ist noch nicht entschieden. Sicher ist, dass die deutschen Verbraucher zum aktuellen Zeitpunkt eine hohe Bindung ans Bargeld äußern, unabhängig davon, welche Pro- und Contra-Argumente Sicherheitspolitiker und Wirtschaftswissenschaftler liefern.
Dass es auch anders geht, kann man an Schweden sehen. „Im täglichen Leben spielt das Bargeld <dort> nur noch eine unbedeutende Rolle. So kann man in vielen U-Bahnen, Bussen, Museen oder Kneipen nicht mehr bar bezahlen. Selbst viele Kirchen haben ihren Klingelbeutel durch einen sogenannten Kollektomat, der Spendenabgaben mit der Kreditkarte ermöglicht, ersetzt.“ ist in einem Artikel vom Juni dieses Jahres auf finanz.net zu lesen. Und dem Guardian gegenüber prognostiziert Prof. Niklas Arvidsson vom Stockholm Royal Institute of Technology, dass Bargeld in Schweden innerhalb der nächsten fünf Jahre nahezu verschwinden wird.
Datenquelle: GfK Verein, Studie „Bargeld 2016“ (Juli/August 2016)
Verantwortlich für den Artikel und Ansprechpartner für Rückfragen zu Compact: Claudia Gaspar (E-Mail bitte an hello@nim.org).