
Wer wissen will, wann Christian Heller unter der Dusche steht, muss nur ins Internet gehen. Auf seiner Website plomlompom.de hält der Filmkritiker und Blogger alles fest, was er den lieben langen Tag so tut: vom Kochen bis zur Körperpflege, vom Partybesuch bis zum nächtlichen Dönermahl. Heller findet nichts dabei, all dies mit der Welt zu teilen – er hält die Ära der Privatsphäre ohnehin für beendet. Eine Vorstellung, die eine Mehrheit der Deutschen schaudern lässt. Viele machen sich Sorgen um den Schutz persönlicher Daten – vor allem, wenn es um Online-Anbieter und Kommunikationsplattformen geht. Das Vertrauen in Suchmaschinen, digitale Bezahlverfahren oder soziale Netzwerke fällt in Zeiten der NSA-Affäre eher gering aus.
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Der Abhörskandal um den US-amerikanischen Geheimdienst, der nicht einmal vor dem Kanzlerinnenhandy Halt machte, hat offenbar Spuren in den Köpfen der Menschen hinterlassen: Knapp 70 Prozent der Deutschen sorgen sich um die Sicherheit persönlicher Daten und ihrer Privatsphäre. Dies zeigt die Studie „Daten & Schutz 2013“ des GfK Vereins, für die rund 2000 Menschen unter anderem danach gefragt wurden, wem sie im Umgang mit ihren persönlichen Daten vertrauen. Persönlich schlechte Erfahrungen haben dabei allerdings die wenigsten gemacht: Nur 7 Prozent sind tatsächlich schon ein- oder mehrmals Opfer von Datenmissbrauch geworden. Allerdings kann knapp ein Viertel der Befragten gar nicht erst beurteilen, wie privat ihre privaten Daten tatsächlich sind. Sie können die Frage nach der persönlichen Betroffenheit nicht beantworten.
Die Frage, wie stark Datenklau und Eingriffe in die Privatsphäre uns beunruhigen, hängt unter anderem mit dem Alter zusammen. In der jungen Generation machen sich 68 Prozent Gedanken um die Sicherheit persönlicher Informationen. Damit liegen die 14- bis 29-Jährigen im Durchschnitt und sind nicht so sorglos, wie man es der Jugend mitunter vielleicht unterstellt. Bei den über 30-Jährigen nimmt die Zahl der Besorgten aber zu: Hier sind es etwa drei Viertel, die sich – teils große – Sorgen machen. Insbesondere die 30 bis 49 Jährigen zeigen sich mit 75 Prozent besonders verunsichert: Sie gehören zu den Menschen, für die die Internetnutzung alltäglich ist und die zugleich – mit Blick auf Karriere und Familie – vermutlich einiges zu verlieren haben. Entspannter werden die Menschen über 70: Mit 58 Prozent denken deutlich weniger, dass ihre Privatsphäre nicht gut geschützt ist. Das hängt vermutlich auch damit zusammen, dass sie seltener als andere Altersgruppen online unterwegs sind. Denn wer regelmäßig im Internet surft, fürchtet Verstöße beim Datenschutz eher als Offliner. Und wer Social Media-Angebote wie Facebook oder Twitter nutzt, beschäftigt sich ebenfalls häufiger mit dem Thema Sicherheit als all jene, die keinen entsprechenden Account haben.
Der Datenschutz bei digitalen Medien lässt in den Augen der Deutschen insgesamt noch zu wünschen übrig: Kein Anbieter kann das Vertrauen einer Mehrheit der Menschen für sich verbuchen. Am wenigsten Sorgen machen sich die Deutschen im Umgang mit den „alten Hasen“ im Kommunikationsgeschäft: Bei Telekommunikationsunternehmen, die oft eine vergleichsweise lange Tradition haben, denken 40 Prozent der Befragten, dass ihre persönlichen Daten gut aufgehoben sind. Mit Blick auf Internet-Suchmaschinen und Online-Bezahlsysteme wie PayPal oder ClickandBuy unterschreiben das nur noch je 35 Prozent; fast ebenso viele verlassen sich auf die Schutzmaßnahmen der Internet-Shops. Internet-Providern, Online-Kommunikationsplattformen und Messenger-Diensten vertraut je ein Viertel der Deutschen seine Daten guten Gewissens an. Gut 20 Prozent verlässt sich auf soziale Netzwerke, ähnlich viele auf Anbieter von Internet-Services in Europa. Deren amerikanische Pendants schneiden deutlich schlechter ab: Nur 9 Prozent vertrauen Internet-Dienstleistern aus den USA.
Die Frage, wem man online seine Daten anvertrauen kann, beantworten die Befragten je nach Alter unterschiedlich. Je jünger sie sind, desto mehr Vertrauen bringen sie Anbietern von Telekommunikationsdiensten und Internet-Services entgegen. Etwa jeder Zweite zwischen 14 und 29 hält sensible Informationen dort für sicher. 43 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen meinen außerdem, dass ihre persönlichen Infos bei sozialen Netzwerken gut aufgehoben sind – das sind teilweise fast doppelt so viele wie in den anderen Altersgruppen. Junge Menschen machen sich auch deutlich weniger Gedanken um ihre Privatsphäre, wenn sie Messenger-Dienste nutzen oder auf Online-Shopping-Tour sind. Auch eigene Erfahrungen in der virtuellen Welt spielen eine Rolle: So bringen Social-Media-Nutzer Internet-Diensten aller Art mehr Vertrauen entgegen als Nicht-Nutzer – obwohl sie allgemein mehr Angst um ihre Privatsphäre und den Datenschutz haben als der Durchschnitt. Wer von klein auf mit allen Facetten der Online-Kommunikation aufwächst und diese regelmäßig nutzt, kennt offenbar die Möglichkeiten und Risiken besser und hat etwas weniger Probleme damit, Daten von sich preiszugeben.
Wenn es um die Sicherheit von sensiblen Daten geht, gilt für die Deutschen: Surfen ist nicht gleich surfen. Online-Gewinnspiele sind in ihren Augen besonders riskant: Fast jeder Zweite vermutet hier ein besonderes Risiko für Datenmissbrauch. Auf Platz zwei rangieren soziale Netzwerke wie Facebook und Co., gefolgt von Online-Bankgeschäften und -Bezahlverfahren. Bonusprogramme, Online-Shopping und Online-Spiele hält etwa jeder Sechste für riskant. Dagegen gelten Ortungsdienste und Online-Auktionen bei den meisten Menschen eher als harmlos – weniger als 15 Prozent sehen hier Probleme mit dem Datenschutz.
Doch was kann eigentlich passieren, wenn Daten in die falschen Hände geraten? Im Zusammenhang mit Eingriffen in die Privatsphäre denken die meisten Deutschen am ehesten daran, dass sich jemand an ihrem Ersparten vergreift. Mehr als zwei Drittel fürchten sich davor, – damit liegt diese Angst auf Rang eins – unabhängig vom Alter der Befragten. Lediglich in der Generation 70 plus fällt die Furcht vor Gefahren aus dem Internet geringer aus, was wahrscheinlich darauf zurückgeführt werden kann, dass sie die Online-Angebote auch deutlich weniger nutzen.
Im Gesamtranking stehen neben einem möglichen finanziellen Schaden auch Eingriffe in die Privatsphäre oder Identitätsmissbrauch ganz oben auf der Sorgenliste: Jeweils gut die Hälfte der Menschen fürchtet sich davor. Dass jemand falsche Informationen über die eigene Person verbreiten oder auch nur Einblick in sensible Daten wie die politische Anschauung erhalten könnte, beunruhigt jeweils gut 40 Prozent. Und dass die eigene Integrität oder auch die eigene Familie Schaden nehmen könnte, bereitet gut einem Drittel Kopfschmerzen. Weniger beunruhigt zeigen sich die Deutschen, wenn es um die Planung von Terroranschlägen geht: Im Durchschnitt nur 10 Prozent fürchten, dass gestohlene Daten hierfür verwendet werden könnten.
Christian Heller, der Tag für Tag alles veröffentlicht, was er erlebt, hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Post-Privacy: Prima leben ohne Privatsphäre“. Darin erklärt er, wie man auch ohne die Sicherheit von Datenschutz und Privatheit gut leben kann. Wer sich mit dieser Idee noch nicht anfreunden mag, kann auch zu den Werken eines ganz anderen Autors greifen – zu Büchern von Heinrich Heine zum Beispiel. Der hat sich seine ganze eigenen Gedanken zum Thema Privates gemacht und geschrieben: „Die Sterne des Himmels erscheinen uns vielleicht deshalb so schön und rein, weil wir weit von ihnen entfernt stehen und ihr Privatleben nicht kennen.“
Datenquellen: GfK Verein (Studie “Daten & Schutz 2013”, September 2013)
Für Rückfragen zu diesem Artikel stehen Ihnen Sandra Lades und Claudia Gaspar vom GfK Verein zur Verfügung.
Verantwortlich für den Artikel und Ansprechpartnerin für Fragen zu Compact: Claudia Gaspar (E-Mail bitte an hello@nim.org).
Hier finden Sie auch ein GfK Compact BlitzInterview zum Thema Datenschutz.