Mahlzeit, Deutschland!

November 2017

„Sage mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist.“ Dieser Satz des französischen Schriftstellers und Gastrosophen Jean Anthelme Brillat-Savarin ist zwar schon fast 200 Jahre alt, doch in ihm steckt bis heute ein ganzes Stück Wahrheit. Unsere Ernährungs- und unsere Kochgewohnheiten sagen viel über uns und unser Leben aus. Und sie sind geprägt von gesellschaftlichen Entwicklungen: vom Wandel der Arbeitswelt, zunehmender Mobilität oder veränderten familiären Strukturen. Noch vor wenigen Jahrzehnten wurde in den meisten deutschen Küchen selbstverständlich täglich gekocht: mit frischen Zutaten und ganz nach dem Geschmack der Lieben – fertig war das nahrhafte Gericht für die hungrige Familie. Alltagsköche wie diese gibt es natürlich auch heute noch. Doch angesichts vieler Veränderungen in der Gesellschaft verliert das tägliche Schnippeln und Rühren nach bewährten Rezepten an Bedeutung. Wer jetzt aber glaubt, dass die Herdplatten in der Bundesrepublik mehrheitlich kalt bleiben, der irrt.

Was sie auf den Tisch bringen, ist in der Regel frisch und trifft den Geschmack der ganzen Familie. Sie setzen überwiegend auf Selbstgemachtes, auch wenn der tägliche Einsatz am Herd durchaus Arbeit bedeutet und manchmal auch lästig ist: Für die sogenannten Alltagsköche gehört es schlicht und einfach zu einer guten Haushaltsführung, regelmäßig vollwertige Mahlzeiten auf die Teller zu bringen. Bis heute machen sie den größten Anteil unter den Kochtypen in Deutschland aus. Doch ihre Bedeutung sinkt: Zählten 2013 noch 29 Prozent der Haushalte zu dieser Gruppe, sind es 2017 nur noch 23 Prozent. Dies zeigen aktuelle Daten aus dem GfK Haushaltspanel, in dem rund 30.000 Haushalte regelmäßig über ihre Einkaufsgewohnheiten berichten. Sie geben unter anderem Auskunft darüber, wie oft sie frisches Fleisch und Gemüse, Fertigprodukte, Snacks oder Bio-Waren kaufen. Anhand der erhobenen Daten lassen sich Rückschlüsse auf die jeweiligen Kochgewohnheiten ziehen und so acht verschiedene Kochtypen unterscheiden. 

Kochen ist Geschmackssache – und dieser Geschmack hat sich in den vergangenen Jahren verändert, wie die Entwicklung der einzelnen Kochtypen seit 2013 zeigt. Durch die stabile Wirtschaftslage und die geringe Arbeitslosigkeit können sich heute mehr Verbraucher auch exquisitere und teurere Lebensmittel leisten. Diese verarbeiten vor allem die Edelköche am liebsten. Zwar machen sie mit einem Anteil von zehn Prozent immer noch eine relativ kleine Gruppe aus, doch verbucht dieser Kochtyp eine der größten Wachstumsraten in den vergangenen vier Jahren. Der Edelkoch steht für einen gehobenen Lebensstil, der auch vor der Küchentür nicht Halt macht. Ausgewählte Produkte, die mit Leidenschaft zubereitet werden, finden sich in seinem Vorratsschrank. Und mit dem, was er frisch vom Wochenmarkt, aus dem Bio- oder dem Feinkostladen holt, versucht er sich an immer neuen Rezepten und Kreationen.

Wachstumsplus: Rohkostbereiter, Snacker, Wochenendköche

Ebenfalls steigende Zahlen sind beim Blick auf die Rohkostbereiter zu verzeichnen. Sie stellen zwar nach wie vor die kleinste Gruppe der Haushalte, legten aber seit 2013 immerhin um zwei Prozentpunkte zu. Dieses Plus dürfte vor allem auf das Konto der Gesundheitsbewussten und Vegetarier gehen: Wer aus ethischen Motiven heraus Fleisch meidet oder aus Fitnessgründen nicht mehr ins Würstchen beißt, greift häufiger zu Gemüseschnitzen oder Obstspießen. Ebenfalls leicht gestiegen ist der Anteil der Wochenendköche an den Haushalten der Bundesrepublik; er liegt aktuell bei 11 Prozent. Auch dieser Zuwachs hängt mit gesellschaftlichen Entwicklungen zusammen: Die gute Jobsituation in Deutschland spült schließlich nicht nur mehr Geld auf die Konten der Verbraucher, sondern bedeutet oftmals eben auch ein Minus an freier Zeit – da bleibt wenig Gelegenheit für geregelte Mahlzeiten geschweige denn für tägliches Kochen. Am Wochenende werden die Ernährungssünden des Arbeitsalltags dann ausgeglichen: Gekocht wird frisch und gesund und vor allem für die Lieben zuhause. Für die Gruppe der Snacker, die wie die Wochenendköche seit 2013 um einen Punkt auf nun 11 Prozent zugelegt hat, gilt das nicht. Sie greifen höchst selten zum Kochlöffel, sondern ernähren sich überwiegend von mehreren kleineren Mahlzeiten.

Stabile Anteile: Gelegenheitsköche, Aufwärmer und Außer-Haus-Esser

Die drei übrigen Kochtypen weisen 2017 ebenso hohe Anteile auf wie noch vor vier Jahren: Die Aufwärmer (16 Prozent) mögen es vor allem schnell und unkompliziert. Kochen soll zügig zu einem essbaren Ergebnis führen, entsprechend selten werden frische Zutaten verwendet. Gelegenheitsköche sind in 15 Prozent der Haushalte zu finden. Ihr Aufwand fürs Kochen hält sich im Alltag ebenfalls in Grenzen, doch greifen sie immerhin bei besonderen Anlässen zu Bratentopf oder Suppenschüssel und legen selbst Hand an. Darauf verzichten die Außer-Haus-Esser nahezu komplett. Sie bevorzugen es, außerhalb der eigenen vier Wände zuzugreifen – am liebsten bei deftiger Hausmannskost. Wie schon vor vier Jahren liegt ihr Anteil stabil bei 8 Prozent.

Welchem Kochtypus ein Mensch zuzuordnen ist, hängt unter anderem von seinem Alter ab. Die unter 40-Jährigen, die oftmals Karriere und Kinder unter einen Hut bekommen müssen, kommen oft nur am Wochenende dazu, sich persönlich um das leibliche Wohl ihrer Lieben zu kümmern. So gehört bei den Wochenendköchen mehr als jeder dritte Haushaltsvorstand dieser Altersgruppe an. Während der Woche wird dagegen oftmals das gegessen, was der Kühlschrank gerade hergibt: Der Anteil der jungen Generation bei den Snackern liegt bei 29 Prozent. Fast ebenso hoch (28 Prozent) ist er bei denjenigen, die sehr auf ihre Gesundheit achten und sich bevorzugt an Rohkost halten oder ausschließlich vegetarisch leben. Sich überwiegend außerhalb der eigenen vier Wände zu ernähren, kommt für die junge Generation dagegen kaum in Frage. Nur 11 Prozent der Außer-Haus-Esser sind Haushaltsvorstände unter 40 Jahre. 

Kochen am Wochenende: Ausgleich für Verbraucher unter 60

Der Alltag der 40- bis 59-Jährigen lässt ebenfalls kaum Zeit für regelmäßige Einsätze am Herd. 42 Prozent der Snacker sind in diesem Alter. Vermutlich ist, wenn man berufstätig ist und zudem vielleicht auch noch eine Familie versorgen muss, der Griff zu Currywurst, Fertig-Wrap oder Käsesticks  am unkompliziertesten. Kochfaul ist diese Generation aber keineswegs – an freien Tagen nimmt sich so mancher viel Zeit, um frische Zutaten zu leckeren und vollwertigen Gerichten zu verarbeiten. Mit einem Anteil von 51 Prozent sind die meisten Wochenendköche in dieser Altersgruppe zu finden. Doch auch bei den anderen Kochtypen sind die 40- bis 59-jährigen Haushaltsvorstände gut vertreten. Sie stellen jeweils 38 Prozent der Aufwärmer bzw. der Alltagsköche sowie je 36 Prozent der Edelköche und der Außer-Haus-Esser.

Auswärts essen: beliebt bei Senioren

Sich regelmäßig am Wochenende an den Herd zu stellen, kommt für die ältesten Haushaltsvorstände offenbar eher selten in Frage. Nur 14 Prozent der Wochenendköche sind 60 Jahre und älter. Zu besonderen Anlässen kann sich diese Generation aber durchaus für Kreativität in der Küche begeistern: Ihr Anteil an den Gelegenheitsköchen beträgt 49 Prozent – so hoch ist er in keiner anderen Altersgruppe. Daneben finden sich mit 42 Prozent auch bei den Rohkostfans einige Ältere, die vermutlich der Gesundheit zuliebe häufig auf Gemüse und Obst zurückgreifen. Noch öfter verzichten Menschen jenseits der 60 aber ganz aufs Kochen: Mit 53 Prozent stellen sie den größten Teil der Außer-Haus-Esser.

Haushaltsgrößen: Singles essen auswärts, Familien kochen am Wochenende

Neben dem Alter spielt auch die Haushaltsgröße eine Rolle für unsere Kochgewohnheiten. Wer allein lebt, macht sich offenbar recht selten die Mühe, aufwändig und frisch für sich zu kochen. Mehr als jeder Zweite, der sich regelmäßig außer Haus ernährt, ist Single. Auch unter den Rohkostbereitern und den Aufwärmern finden sich viele Ein-Personen-Haushalte: 51 Prozent derjenigen, die ihre Küche nur nutzen, um dort Gemüse oder Obst zu schnippeln und es sich dann mit einem Rohkostteller gemütlich zu machen, leben alleine. Und wenn Topf oder Pfanne doch zum Einsatz kommen, dann am ehesten, um darin Fertigprodukte zuzubereiten: So sind ebenfalls 51 Prozent der Aufwärmer Ein-Personen-Haushalte. Wer zu zweit zusammenwohnt, mag es dagegen oft etwas exquisiter. Mit 47 Prozent stellen Paare und andere Zwei-Personen-Haushalte den größten Anteil der Edelköche, die sich immer wieder an neuen Kreationen versuchen. Überhaupt bleibt die Küche in den Zweipersonenhaushalten selten kalt: 43 Prozent der Alltagsköche, die regelmäßig am Herd stehen, leben mit jemandem zusammen. Fast ebenso hoch (42 Prozent) ist der Pärchen-Anteil bei den Gelegenheitsköchen. In Familien fehlt für tägliche Einsätze am Herd oftmals die Zeit – das wird am Wochenende oft ausgeglichen. So stellen Haushalte ab drei Personen mit 45 Prozent das Gros bei den Wochenendköchen. Im Alltag dagegen muss es bei ihnen entweder schnell gehen oder aber Eltern und Kind/er essen mittags in Kantine bzw. in einer Tagesbetreuung, wie der Blick auf die Snacker zeigt. Familien machen bei diesem Koch-Typus einen Anteil von 32 Prozent aus.

Die einen leben streng vegan, andere hantieren selbstverständlich mit Chia-Samen, Acai-Beeren und allem, was sonst noch als Superfood gilt, wieder andere freuen sich über immer neue Fertigprodukte im Supermarktregal – es gibt heutzutage zahlreiche Food-Trends, denen man sich anschließen kann. Die verschiedenen Koch-Typen haben ihre ganz eigenen Präferenzen, wenn es um die Auswahl von Lebensmitteln geht. Die Edelköche können sich besonders für Bioprodukte (129 Punkte) und Zutaten aus der Kategorie Superfood modern (125 Punkte) begeistern – nichts geht über Macha-Tee oder Goji-Beeren aus ökologischem Anbau. Dieses Faible teilen sie mit den Rohkostbereitern, die bei Bio und Superfood modern sogar noch höhere Indexwerte erreichen. Zudem kaufen letztere besonders häufig proteinhaltige Lebensmittel wie Eiweiß-Shakes oder Eiweißbrot (120 Punkte). Unangefochten an der Spitze liegen die Rohkostbereiter aber beim Thema Veggie: Mit einem Index von 205 Punkten für Produkte wie Tofu, Mandelmilch oder Sojajoghurt rangieren sie mit großem Abstand vor allen anderen Kochtypen. Mit vegetarischen Alternativen können auch die Alltagsköche überdurchschnittlich viel anfangen (152 Punkte). Und auch die Liebe zu Bioprodukten (132 Punkte) teilen sie mit Rohkostfans und Edelköchen.

Convenience-Produkte: bei Wochenendköchen, Aufwärmern und Snackern beliebt

Während der Gelegenheitskoch keinem der Foodtrends in besonderem Maße folgt, zeigt der Wochenendkoch klare Präferenzen: Lebensmittel mit Extra-Eiweiß, pikante Snacks und To-Go-Convenience-Artikel stehen überdurchschnittlich häufig auf seiner Einkaufsliste. Offenbar braucht er diese Produkte, um auch ohne Kücheneinsatz während der Woche satt zu werden. Bei To-Go-Convenience-Produkten wie beispielsweise fertigen Salatmischungen oder Trink-Obst schlagen auch die Snacker (116 Punkte) und die Aufwärmer (130 Punkte) gerne zu. Noch häufiger kaufen letztere aber pikante Snacks (148 Punkte) und Chilled-Convenience-Produkte wie frische Nudeln und Soßen aus der Kühltheke. Mit all diesen Trendprodukten hält sich der Außer-Haus-Esser kaum auf. Erwartungsgemäß erreicht er bei allen Lebensmittelgruppen nur unterdurchschnittliche Indexwerte.

Blick in die Kochtöpfe der Zukunft

Wie werden sich unsere Ernährungs- und Kochgewohnheiten in den kommenden Jahren verändern? Werden regelmäßig frittierte Heuschrecken, Maden oder andere Insekten als wichtige Eiweißlieferanten auf unserem Speiseplan stehen? Wird unser intelligenter Kühlschrank Superfood, Snacks oder exakt dosierte Zutaten fürs Drei-Gänge-Menü automatisch auf die digitale Einkaufsliste setzen und online beim Supermarkt bestellen? Oder lassen wir uns – wenn’s mal schnell gehen muss die Pizza vom Italiener um die Ecke per Drohne liefern? Technische Entwicklungen, aber auch neue Erkenntnisse der Ernährungswissenschaften können auch in der Küche ebenso neue Trends generieren wie veränderte Arbeitsstrukturen oder alternative Lebensmodelle. So lassen wir uns künftig neben den Küchenklassikern vielleicht ganz neue Kreationen schmecken, die wir aus heute unbekannten Zutaten zubereiten. Über neue Geschmäcker auf der Zunge hätte sich auch der eingangs zitierte Jean Anthelme Brillat-Savarin gefreut. Denn er schrieb in seinem Buch „Die Physiologie des Geschmacks“ auch folgenden Satz: „Die Entdeckung eines neuen Gerichts ist für das Glück der Menschheit von größerem Nutzen als die Entdeckung eines neuen Gestirns.“


Datenquelle: „Die Vielfalt des Kochens“ aus Consumers‘ Choice ‚17 – Neue Muster in der Ernährung; Eine Publikation anlässlich der Anuga 2017 / GfK Consumer Scan

Rückfragen bitte an Wolfgang Adlwarth, GfK SE oder Claudia Gaspar (E-Mail: hello@nim.org).