
Die beste Freundin sitzt schon seit zehn Minuten im Restaurant, während wir auf die verspätete U-Bahn warten? Eine kurze Nachricht reicht, und sie weiß Bescheid. Der Chef will sich abends melden, um die Kundenpräsentation nochmals durchzugehen? Dem Smartphone sei Dank müssen wir dafür nicht länger im Büro bleiben, sondern können gemütlich auf dem Sofa auf seine Mail warten. Die schlauen Handys haben sich innerhalb kürzester Zeit zum ständigen Begleiter und Helfer für viele Menschen entwickelt. Doch die Dauerpräsenz der mobilen Allrounder hat auch ihre störenden Seiten. Wenn wir im Gespräch mit anderen sind, einen Kinofilm sehen oder einem Vortrag in Ruhe folgen wollen, kann das ständige Klingeln und Kommunizieren nerven. Das geht vielen Bundesbürgern so. Sie schätzen die Vorteile der Smartphones – legen aber zugleich Wert auf höfliches Verhalten.
Eine offizielle Smartphone-Etiquette, also allgemein anerkannte Benimmregeln für die Nutzung des Mobiltelefons in Gesellschaft, gibt es nicht, wohl aber Tipps, wie sie beispielsweise die „Wirtschaftswoche“ in einem Artikel schon im Mai 2015 auflistete. „In Meetings hat das Smartphone Pause“, heißt es da beispielsweise. Oder „Beim Telefonieren Abstand halten“. Viele Bundesbürger würden vermutlich die meisten dieser Vorschläge befürworten. Zumindest legen das die Zustimmungs- und Ablehnungswerte zu fünf vorgegebenen Aussagen rund um die Smartphone-Nutzung in Gesellschaft nahe, die der GfK Verein im Herbst 2017 gut 2.000 Deutschen ab 14 Jahren (repräsentativ für die Bevölkerung) zur Bewertung vorlegte. Wenn es um das Smartphone als schnellen Informationslieferanten geht, scheiden sich allerdings die Geister.
Wann wurde Frankreich zuletzt Weltmeister? Was hat Trump gestern genau getwittert? Nur wenige Sekunden dauert es, und die gesuchte Information wird uns auf dem Display unseres Smartphones angezeigt. Mehr als die Hälfte der Deutschen findet das praktisch, gerade, wenn man sich inmitten einer Diskussion oder einem Gespräch befindet. 56 Prozent stimmen generell der Aussage zu, es sei bereichernd, in solchen Situationen weitere Aspekte recherchieren und in die Debatte einbringen zu können, 14 Prozent sehen das sogar ganz entschieden so. Allerdings sind die anderen 44 Prozent offensichtlich nicht dieser Ansicht. Sie stimmen der Aussage nämlich eher nicht oder überhaupt nicht zu. Für viele kommt der Griff zum Handy dabei aber offenbar einfach nur zu schnell. Sie befürchten eine gewisse Denkfaulheit, die die ständige Verfügbarkeit von Informationen aus dem Netz mit sich bringen könnte. Insgesamt 53 Prozent der Befragten finden es nicht gut, immer sofort zum internetfähigen Handy zu greifen, anstatt erst einmal nachzudenken oder mit anderen über strittige Fragen zu diskutieren. Jeder Fünfte unterschreibt das voll und ganz.
Was den Aspekt Informationsbeschaffung via Smartphone betrifft, sind die Ansichten in der Bevölkerung also recht gespalten. Anders sieht das bei den Aussagen aus, die sich um die Themen Aufmerksamkeit und Höflichkeit gegenüber anderen drehen. Wenn das Gegenüber immer wieder Nachrichten auf dem Handy überprüft oder selbst welche schreibt, bleibt nur eine Minderheit der Befragten gelassen. Gerade einmal einem Drittel macht das wenig aus, wie die Zustimmung zur entsprechenden Aussage zeigt. Und nur jeder Zehnte hat gar kein Problem damit. Als noch lästiger empfinden es die Deutschen, wenn ein anderer Gesprächspartner plötzlich per Smartphone eine Unterhaltung stört. Drei Viertel der Befragten finden es unmöglich, Gespräche ohne Entschuldigung zu unterbrechen, wenn gerade ein Anruf oder eine Nachricht eintrifft. 41 Prozent sehen das sogar voll und ganz so. Offenbar reagieren die Bundesbürger mehrheitlich verärgert, wenn ihnen der Gesprächspartner die Aufmerksamkeit entzieht. Am empfindlichsten aber zeigen sie sich beim Thema Privatsphäre und Datenschutz. Der Aussage „Ich möchte nicht, dass andere Menschen Fotos oder Videos mit dem Smartphone von mir machen, ohne zu fragen, ob mir das gefällt“ stimmt eine große Mehrheit von 81 Prozent zu, jeder Zweite unterschreibt sie voll und ganz. Vielleicht möchten sie einfach sichergehen, stets vorteilhaft in Szene gesetzt zu werden. Oder aber sie empfinden es als respektlos, das Recht am eigenen Bild nicht gewährt zu bekommen. Auch Datenschutzgründe können eine Rolle spielen: Bei manchem ist wohl die Sorge recht groß, dass Foto- und Filmdateien in die falschen Hände geraten und nicht mehr aus dem Netz zu tilgen sind.
Zwar ist die Smartphone-Dichte hierzulande recht hoch, doch (noch) hat nicht jeder Deutsche ein schlaues Handy. Die Vermutung liegt nahe, dass all jene, die bisher auf iPhone und Co. verzichten, in Höflichkeits-Fragen strenger sind als die Nutzer. Doch das ist nur sehr bedingt der Fall. Sieht man sich nur die Smartphone-Besitzer an, die einen Anteil von 73 Prozent an allen Befragten ausmachen, so weichen deren Smartiquette-Vorstellungen nur wenig von der Haltung der Allgemeinheit ab, wie der Blick auf die sehr überschaubaren Salden zeigt: Vor der Gefahr der „Denkfaulheit“ warnen Smartphone-Nutzer etwas seltener (49 Prozent vs. 53 Prozent bei allen Befragten). Sie fühlen sich auch weniger gestört, wenn andere immer wieder das Mobiltelefon zur Hand nehmen, um Nachrichten zu lesen oder zu schreiben (38 Prozent). Und wer ein Gespräch ohne Entschuldigung unterbricht oder ungefragt Fotos und Videos von anderen macht, riskiert bei Smartphone-Nutzern ebenso häufig Kritik und Unverständnis wie bei der Gesamtbevölkerung: In diesen Punkten decken sich die Zustimmungswerte mit denen aller befragten Bundesbürger. Nur in puncto Informationsbeschaffung weicht die Einstellung der Smartphone-Nutzer deutlicher von der Haltung der Allgemeinheit ab. So sehen es 68 Prozent als bereichernd an, fehlende Infos sofort recherchieren zu können – das sind 12 Punkte mehr als bei der Gesamtheit der Befragten.
Wie viel Rücksicht wir von anderen beim Umgang mit dem Smartphone erwarten, ist also kaum davon abhängig, ob wir die Geräte selbst verwenden oder nicht. Und auch mit Blick auf das Geschlecht zeigen sich nur geringfügige Unterschiede. Tendenziell geben sich männliche Befragte etwas entspannter, wenn es um die Smartphone-Etiquette geht. So sagen 35 Prozent der männlichen Befragten, es störe sie nicht, wenn jemand in Gesellschaft immer wieder Nachrichten liest oder schreibt; bei den Frauen sind es mit 31 Prozent etwas weniger. Würden sie ohne ihr Einverständnis von anderen fotografiert oder gefilmt, hätten damit 83 Prozent der Frauen und 79 Prozent der Männer ein Problem. Letztere finden es auch häufiger als weibliche Befragte hilfreich, in Diskussionen schnell nach Argumenten oder Informationen suchen zu können: 58 Prozent der Männer stimmen der entsprechenden Aussage zu; bei den Frauen sind es 54 Prozent. Die Differenz zwischen den Geschlechtern beträgt – je nach Aussage – also maximal 4 Prozentpunkte. Auch wenn man nur die Antworten der Smartphone-Nutzer betrachtet und die Nicht-User außen vorlässt, ändert sich das Bild nur unwesentlich: Die Salden zwischen Männern und Frauen, die ein Smartphone besitzen, liegen mit maximal 5 Punkten nur unwesentlich über denen aller Befragten.
Während das Geschlecht also keine besonders große Rolle beim Thema Smartiquette spielt, macht das Alter sehr wohl einen erheblichen Unterschied. Dabei gilt: Je jünger die Menschen, desto lockerer zeigen sie sich im Umgang mit den schlauen Handys und desto stärker haben sie die Vorteile im Blick. Im Gegenzug akzeptieren sie es häufiger, wenn sich ihr Gegenüber von iPhone und Co. ablenken lässt anstatt weiter zuzuhören. Dagegen legen ältere Befragte offenbar größeren Wert auf die Einhaltung bestimmter Höflichkeitsformen. Die Schere zwischen Jung und Alt geht dabei teilweise weit auseinander, wenn man die Antworten aller Bundesbürger – also Nutzer und Nicht-Nutzer – auswertet: So finden es 85 Prozent der 14- bis 19-Jährigen bereichernd, in Gesprächen zusätzliche Infos via Smartphone zu recherchieren. Mit zunehmendem Alter sinkt die Zustimmung zu dieser Aussage kontinuierlich ab. Ab 60 Jahren findet sich in dieser Frage keine Mehrheit mehr – nur 42 Prozent sehen in der schnellen Informationsbeschaffung einen Vorteil. Bei den über 70-Jährigen erreicht der Wert dann schließlich nur noch 25 Prozent. Eine ähnliche Tendenz – wenngleich mit etwas geringerem Saldo zwischen Alt und Jung – zeigt sich bei der Aussage zur Aufmerksamkeit, die man dem realen Gegenüber durch die Smartphone-Nutzung entzieht. Mehr als die Hälfte der 14- bis 19-Jährigen (57 Prozent) hat kein Problem damit, wenn der Gesprächspartner das Handy immer wieder hervorholt. Doch schon ab dem Alter von 30 Jahren sieht das eine Mehrheit anders. So liegt die Zustimmung bei den 30- bis 39-Jährigen nur noch bei 41 Prozent, um dann sukzessive weiter zu sinken. In der Generation 70 plus schließen sich nur noch 19 Prozent dieser Einschätzung an. Passend dazu tolerieren es ältere Menschen deutlich seltener als junge, wenn Gespräche kommentarlos unterbrochen werden, nur weil das Smartphone klingelt oder piept. 81 Prozent der über 70-Jährigen finden das „unmöglich“. Je jünger die Befragten, desto entspannter sehen sie das: Für 54 Prozent der 14- bis 19-Jährigen gelten solche Unterbrechungen als Ausdruck schlechter Manieren – immerhin stört sich damit auch bei den Jüngsten eine Mehrheit am abrupten Aufmerksamkeitsentzug.
Für die Jüngeren steht insgesamt aber eher der Nutzen des Smartphones im Vordergrund, beispielsweise die Möglichkeit, schnell Antworten auf alle möglichen Fragen zu finden. Nur gut ein Drittel der jüngsten Gruppe findet es nicht gut, gleich zum Smartphone zu greifen, wenn eine Antwort oder Lösung gesucht ist. Schon bei den 30- bis 39-Jährigen stimmt dieser Aussage jeder Zweite zu, bei den über 70-Jährigen sind es fast zwei Drittel (62 Prozent). Sie fänden es besser, erst einmal selbst nachzudenken oder strittige Punkte mit den realen Gesprächspartnern zu diskutieren. In einem Punkt sind sich die Befragten über alle Generationsgrenzen hinweg jedoch recht einig: Wenn es um Videos oder Fotos geht, die andere ohne Erlaubnis von ihnen machen, hört auch bei den Jüngsten der Spaß recht schnell auf. 71 Prozent unterschreiben die Aussage, dass unerlaubte Aufnahmen nicht erwünscht sind. Bei den Ältesten liegt der Wert nur 9 Punkte darüber. Am höchsten fällt er aber in der Gruppe der 40- bis 49-Jährigen aus. 86 Prozent der 40- bis 49-Jährigen hat nach eigenen Angaben etwas dagegen, dass andere sie unerlaubt mit dem Smartphone filmen oder fotografieren.
Die teils erheblichen Unterschiede zwischen den Generationen haben in erster Linie mit der unterschiedlichen Smartphone-Dichte zu tun. Ältere Menschen besitzen häufig noch gar kein intelligentes Mobiltelefon – und sind daher oftmals kritischer, wenn andere Menschen sich nicht rücksichtsvoll verhalten. Das zeigt sich, wenn nur die Antworten der Smartphone-Nutzer betrachtet werden. Zwar gibt es auch hier einen Alterseffekt – Jüngere sind tendenziell gelassener, ältere kritischer – doch dieser wirkt sich bei einzelnen Antworten viel geringer aus. So schätzt mehr als jeder zweite Nutzer in der Gruppe der 60- bis 69-Jährigen die schnelle Informationsverfügbarkeit, in der Vergleichsgruppe aller Befragter findet sich für diese Aussage mit 42 Prozent dagegen keine Mehrheit. Noch deutlicher wird die Differenz bei den Menschen ab 70 Jahren: 46 Prozent finden die schnelle Informationssuche während eines Gesprächs bereichernd; nimmt man die Nicht-Nutzer hinzu, stimmen dem nur noch etwa halb so viele zu. Die älteste Nutzer-Gruppe zeigt sich auch gelassener im Umgang mit störenden Anrufen. 29 Prozent der Smartphone-User ab 70 finden es nicht schlimm, wenn Gespräche von Angesicht zu Angesicht durch eingehende Anrufe oder Nachrichten unterbrochen werden. Das sind immerhin zehn Prozentpunkte mehr als in der vergleichbaren Altersgruppe, in der sich auch Nicht-Nutzer zu dieser Frage äußern.
Es gibt Benimmregeln, über die denken wir gar nicht mehr nach. Selbstverständlich sagen wohl die allermeisten von uns „bitte“ und „danke“, grüßen die Nachbarn oder halten anderen Menschen die Tür auf. Wenn es um den Umgang mit dem Smartphone geht, fehlt diese Sicherheit mitunter. Kein Wunder, denn beim schlauen Handy handelt es sich um eine recht junge Entwicklung. Wer damit aufwächst, wird die Dauer-Präsenz oft als unproblematisch, ja sogar notwendig empfinden – schließlich findet der soziale Austausch unter den Jungen ganz selbstverständlich online und mobil statt, teilweise auch mit unguten Folgen. Nicht umsonst wählte der Langenscheidt-Verlag schon vor 3 Jahren „Smombie“ zum Jugendwort des Jahres. Der Begriff – eine Mischung aus Smartphone und Zombie – beschreibt Menschen, die von ihrer Umwelt nichts mehr mitbekommen, weil sie nur noch auf ihr Handydisplay starren. Ältere Menschen, die viele Lebensjahre „ohne“ verbracht haben, können ein solches Verhalten oftmals nicht nachvollziehen oder empfinden solche Verhaltensweisen als unhöflich. Ob ein Smartphone-Knigge hier weiterhelfen kann? Vielleicht reicht es ja schon, wenn Jung und Alt sich hin und wieder ein Zitat des französischen Philosophen Jean-Jaques Rousseau ins Gedächtnis rufen: „Die wahre Höflichkeit besteht darin, dass man einander mit Wohlwollen entgegenkommt.“ Wer das beherzigt, hat gute Chancen, mit dem Gegenüber in einen angenehmen Kontakt zu treten – ob mit oder ohne Smartphone.
Datenquelle: GfK Verein, GfK Consumer Study 2018 - Trendsensor Konsum Deutschland.
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