Virtuell vernetzt

Mai 2012

Am 18. Mai war es so weit: Die Facebook-Aktie notierte erstmals an der Technologiebörse Nasdaq – nach 30 Sekunden waren bereits mehr als 82 Millionen Aktien gehandelt worden; der Marktwert des größten sozialen Netzwerks kletterte auf sagenhafte 104 Milliarden US-Dollar. Dass die Aktie im weiteren Verlauf des ersten Börsentages nicht den erwarteten Höhenflug antrat, ließ Firmenchef Mark Zuckerberg kalt. Und nicht nur er sieht Facebook als Gewinner im Netz: Auch die deutschen privaten Internetnutzer machten die Online-Community zum Überflieger. Neben Facebook tummelten sie sich – wenngleich seltener – auch anderen sozialen Netzwerken. Insgesamt statteten die Deutschen den zehn beliebtesten Portalen mehr als 2,4 Milliarden Besuche ab. Und längst nutzen nicht mehr nur junge Leute die Angebote – auch ältere User wissen Chats, Blogs und Tweets zu schätzen.

Sportler teilen hier mit Fans ihre Erfolge, die nette Frau von nebenan postet ihr aktuelles Kochrezept und jüngst lud CSU-Chef Horst Seehofer sogar seine Anhänger in der Offline-Welt zu einer Party ein: Facebook hat es bei Prominenten und Nicht-Prominenten längst an die Spitze der sozialen Netzwerke geschafft. Die Plattform, die nach eigenen Angaben weltweit rund 900 Millionen Nutzer und seit kurzem auch zahlreiche Aktionäre hat, wurde im ersten Quartal 2012 von 35 Millionen Deutschen besucht. Innerhalb der letzten zwei Jahre haben sich damit weitere 20 Millionen Menschen in Deutschland entschieden, hier Gesicht zu zeigen. Mit großem Abstand folgt im Social-Network-Ranking die Seite Stayfriends mit 11 Millionen und Wer-kennt-wen mit 7 Millionen Besuchern. Dies zeigen aktuelle Messungen des Media Efficiency Panels von GfK Consumer Experiences.

Facebook hat die Nase vorn

Wenngleich die Top-3 im Ranking damit unverändert bleiben, mussten die zweit- und drittplatzierten Angebote Einbußen bei den Besucherzahlen hinnehmen. Doch nicht nur Stayfriends und Wer-kennt-wen sind vom Mitgliederschwund betroffen. Auch die Seiten MeinVZ, Myspace und StudiVZ haben seit dem ersten Quartal 2010 jeweils drei Millionen Besucher verloren und belegen damit aktuell die Ränge 7, 9 und 10. Freuen dagegen können sich die Macher von Twitter. Der „Zwitscher-Dienst“, mit dem Kurznachrichten in alle Welt versendet werden, konnte im ersten Quartal 2012 eine Million mehr Besucher verbuchen als noch vor zwei Jahren und hat damit MeinVZ den vierten Rang abgelaufen. Auch das Business-Portal Xing zeigt stabile Zahlen. Zwar nutzen heute nicht mehr Besucher als 2010 das Karriere-Portal, doch im Ranking stieg das Angebot auf Platz 5. Wie schnelllebig die Online-Welt ist, zeigen zwei Newcomer in den Top-10. Die Freunde-Community Jappy, seit 2001 im Netz zu finden, wurde im ersten Quartal 2012 von 4 Millionen Menschen besucht und setzte sich damit vor die „alten Hasen“ Myspace und StudivVZ. Halb so viele Besucher begeistert Badoo, eine Community, die international agiert und ihren Nutzern verspricht, darüber neue Leute in ihrer Nähe kennenzulernen. Zwei Millionen Besucher fanden im ersten Quartal dieses Jahres den Weg auf die Seite.

Social Networks: Die Mischung macht‘s

Das Angebot an Online-Netzwerken ist groß – der Wunsch nach Abwechslung bei manchen Nutzern offenbar ebenfalls. Das Web 2.0 scheint für Einige eine Art All-Inclusive-Buffet zu sein: Anstatt sich am Lieblings-Gericht satt zu essen, probieren sielieber von allem etwas. So ist fast die Hälfte der Badoo-Fans auch auf der Seite von Stayfriends unterwegs, knapp ein Drittel zwitschert gerne auf Twitter und weitere 28 Prozent suchen regelmäßig auf Wer-kennt-wen nach alten Bekannten. Umgekehrt profitiert Badoo (noch) wenig: Immerhin zieht es 13 Prozent der Twitter-Nutzer zur Kontakt-Börse und auch jeder siebte Jappy-Nutzer lässt sich auf Badoo blicken. Stayfriends ist da schon eher bei der Masse der Netzwerker gefragt: Neben den Badoo-Jüngern zieht es vor Fans von Xing, Twitter, MeinVZ, Myspace und Jappy zur Freunde-Seite.

Doch bei aller Auswahl am medialen Buffet – am „Hauptgang“ Facebook kommt fast kein Social-Networker vorbei. So sind nahezu alle Nutzer von Myspace, Badoo, Twitter oder StudiVZ bei Facebook zu Gast. Am „seltensten“ zieht es noch die Anhänger von Stayfriends zu Mark Zuckerbergs Schöpfung: 85 Prozent derer, die mit Freunden in Kontakt bleiben möchten, sind auch bei Facebook aktiv. Und wer auf facebook erst einmal eingeloggt ist, der verbringt dort oft einen Großteil seiner Freizeit. Die durchschnittliche Verweildauer auf der Seite lag zwischen Januar und März 2012 bei gut 16 Stunden pro Besucher – und damit mehr als doppelt so hoch wie im 1. Quartal 2010. Auch hier schaffte es Facebook im Vergleich zu anderen Anbietern, die mit Ausnahme von MeinVZ Verluste einfuhren, ganz nach vorn.

Regelmäßige Wiederkehr – auf dieses Prinzip legen sich die Social-Networker nur bedingt fest. So gelingt es nicht jedem Anbieter, die Nutzer häufig auf ihr Portal zu locken. Die geringste Besuchs-Frequenz verzeichnet der Top-10-Neuling Badoo. 44 Prozent der User kommen nur einmal im Quartal aus Neugier vorbei und wenden sich dann wieder anderen Angeboten zu. Auch auf die Seiten von Twitter, Xing und Myspace klicken je 37 Prozent nur einmal in drei Monaten. Immerhin kann Xing sich unter diesen drei Portalen aber über die meisten Heavy-User (18 Prozent) freuen, also jene, die zwischen Januar und März 2012 mindestens fünf Mal zu Gast auf dem Portal waren. Die größte Anzahl an Stammgästen verbucht jedoch Facebook – und liegt damit auch in dieser Kategorie auf dem ersten Platz. Fast zwei Drittel der Nutzer sind in einem Quartal mindestens fünf Mal auf der Seite unterwegs und lassen Freunde und Bekannte an ihrem Leben teilhaben. Und auch wer auf MeinVZ oder Wer-kennt-wen klickt, tut dies vergleichsweise regelmäßig. Immerhin je knapp die Hälfte der Registrierten gehört zu den Heavy-Usern.

Twitter und Co: Ältere klicken mit

Dass die bunte Welt von Jappy vorwiegend junge Menschen unter 20 Jahre anzieht, während das Karriere-Portal Xing vor allem Berufseinsteiger und Berufstätige lockt, verwundert kaum. Beim Blick auf die Nutzung nach Altersgruppen fällt dennoch eines auf: Soziale Netzwerke sind längst nicht mehr nur für jüngere Menschen attraktiv. Zunehmend nutzt die Generation der älteren Surfer die Möglichkeiten, sich mit anderen auszutauschen. So ist mehr als ein Drittel derer, die auf Stayfriends nach alten und neuen Bekannten suchen, 50 Jahre oder älter. Im ersten Quartal 2010 waren es noch 24 Prozent. Auch Badoo lockt mit seinem Angebot mehr als ein Viertel ältere Nutzer an. Und wer hätte gedacht, dass Menschen ab 60 häufiger Neues in die Welt zwitschern als Jugendliche unter 20 Jahren? Der Wissenschaftler Oliver Huxhold vom Deutschen Zentrum für Altersfragen erklärte kürzlich im dapd-Interview, warum immer mehr Ältere in sozialen Netzwerken kommunizieren: „Gerade diejenigen, die aufgrund ihre gesundheitlichen Situation nicht mehr in der Lage sind, Freunde physisch zu treffen, können ihr soziales Umfeld aufrechterhalten.“ Wen wundert es da, dass auch Facebook bei älteren Usern beliebt ist. Ein Viertel der Nutzer ist 50 Jahre und älter. Ansonsten aber weist die Seite eine bemerkenswert gleichmäßige Altersstruktur auf.

Der Blick auf die Geschlechter zeigt noch einige Unterschiede. Typische „Freunde-Seiten“ wie MeinVZ, StudiVZ, Wer-kennt-wen, Stayfriends und Facebook werden (im Vergleich zur Verteilung der Geschlechter in der gesamten Internetbevölkerung) besonders häufig von Frauen besucht. Dagegen liegen neben Badoo und Myspace das Karriere-Portal Xing, aber auch der Kurznachrichtendienst Twitter bei den männlichen Nutzern vorn. Die Klischees der Offline-Welt, dass Männer karriereorientierter sind und weniger Worte machen, scheinen sich zumindest an dieser Stelle zu bestätigen.

Zukunft der Online-Welt

Für die einen sind sie die einfachste Art der Kontaktpflege, für andere virtuelle Bühne, Nachrichtenkanal oder Diskussionsplattform. Andere wiederum kritisieren fehlenden Datenschutz und übermächtige ökonomische Interessen. Welcher Seite man sich auch immer anschließt, eines ist sicher: Soziale Netzwerke sind aus der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken. Die Frage wird jedoch sein, in welche Richtung sie sich weiterentwickeln. Eine Frage, die sich vermutlich nicht nur Facebook-Gründer Mark Zuckerberg nach dem Börsengang verstärkt stellen muss.


Datenquelle: GfK Consumer Experiences (GfK Media Efficieny Panel, 1. Quartal 2012 und 1. Quartal 2010)
Rückfragen bitte an Erik Lämmerzahl, GfK SE

Verantwortlich für den Artikel und Ansprechpartnerin für Fragen zu Compact: Claudia Gaspar (E-Mail bitte an hello@nim.org).

Mai 2012