Forschung

Beeinflusst akuter Technostress unser Entscheidungsverhalten?

Digitale Technologien sind zu einem zentralen Bestandteil unseres täglichen Lebens geworden. Wie wichtig diese mittlerweile sind, zeigte sich im Oktober 2021: Die Onlinedienste von Facebook, Instagram und WhatsApp waren für rund sechs Stunden ausgefallen. In den darauffolgenden Tagen wurde eine Studie durchgeführt, bei der etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer berichteten, dass der Ausfall zu Langeweile oder Frustration geführt habe. Rund ein Drittel der Befragten berichteten hingegen von Erleichterung und Entspannung während des Ausfalls.

Digitale Technologien beeinflussen also unsere Gefühlslage und gegebenenfalls sogar das Wohlbefinden und die kognitive Leistungsfähigkeit. Dies wurde in einer Studie von Duke und Kollegen gezeigt. Die Teilnehmenden wurden gebeten, kognitive Aufgaben zu bearbeiten. Dabei wurden sie gebeten, ihr Smartphone entweder neben sich auf dem Tisch zu platzieren, es in ihrer Tasche zu verstauen oder in einem separaten Raum aufzubewahren. Je näher die Teilnehmenden ihr Smartphone hatten, desto schlechter schnitten sie bei der Bearbeitung der Aufgaben ab. Auch wenn wir also unser Smartphone gerade nicht benutzen, richten wir einen Teil unserer Aufmerksamkeit darauf.

Beide Studienergebnisse sind Indizien für ein Phänomen, dass Technostress genannt wird. Dieser Begriff wurde bereits im Jahr 1984 geprägt, also lange vor der Zeit des Internets und des Smartphones. Dennoch erkannten die Forscher auch zu dieser Zeit schon, dass uns der Umgang mit neuer Technologie physiologisch und psychologisch beeinflussen kann. Und obwohl seit rund 40 Jahren zu diesem Thema geforscht wird, ist immer noch weitestgehend unklar, ob und wie Technostress unser Entscheidungsverhalten beeinflusst.

Im Rahmen einer Masterarbeit hat das NIM zusammen mit dem Lehrstuhl für Gesundheitspsychologie der Universität Erlangen-Nürnberg ein Experiment durchgeführt, in dem genau diese Frage untersucht wurde. Die Teilnehmenden wurden gebeten, am Computer Entscheidungsaufgaben zu bearbeiten. Dabei wurde die Hälfte der Teilnehmenden sogenannten Stressoren ausgesetzt, in unserer Studie eine Vielzahl an Unterbrechungen durch Pop-up-Fenster. Während der Studie wurde die Herzrate sowie der Cortisolwert und so das Stresslevel gemessen.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Die Herzrate zeigte in der Gruppe, die den Stressoren ausgesetzt war, einen deutlichen Anstieg des Stresslevels.
  • Laut Selbstauskunft fühlten sich diese Teilnehmenden jedoch nicht gestresster als diejenigen in der Gruppe ohne Stressoren.
  • Es gibt also Anzeichen dafür, dass wir an technologiebedingte Unterbrechungen bereits so gewöhnt sind, dass wir uns nicht mehr gestresst fühlen, obwohl physiologische Messungen zeigen, dass wir gestresst sind.
  • Technostress hatte in der Studie keinen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten. Obwohl die Stressoren zu Stress führten, haben die Teilnehmenden in dieser Gruppe nicht signifikant unterschiedlich entschieden, also die Teilnehmenden ohne Stress.

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