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Es muss schlimmer kommen, bevor es besser wird
Professorin Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft, stellte die Empfehlungen vor, die die Wirtschaftsweisen kürzlich dem Bundeskanzler überreicht haben. Die wichtigste Forderung, um die Konjunktur anzukurbeln, lautet: „Wir brauchen Investitionen“. Diese sind vom Bund zwar auch geplant. Durch diverse Haushaltsverschiebungen stehe das Sondervermögen jedoch nur noch etwa zur Hälfte für notwendige zusätzliche Investitionen zur Verfügung. Ein Fehler, so Schnitzer. Richtig eingesetzt könnte das Sondervermögen Wachstum und Transformation befördern. Einen zweiten Punkt betont Schnitzer: „Wir haben das Potenzial des europäischen Binnenmarktes noch nicht vollständig ausgenutzt.“ Dazu zählt eine gemeinsame Beschaffung, etwa von Verteidigungsmitteln, aber auch eine Harmonisierung von Vorschriften zu Verpackung und Beschriftung von Konsumgütern.
Professor Lars Feld, Direktor des Walter Eucken Instituts und ehemaliger Vorsitzender des Sachverständigenrats, beschreibt die Situation der deutschen Wirtschaft in einer sich wandelnden Weltordnung. „Ich habe keine guten Nachrichten für Sie“, warnt der Ökonom. Er sieht eine geringe Dynamik der Unternehmen. „Investoren weltweit machen um Deutschland einen Bogen.“ Auch Feld kritisiert, dass die Wirkung des Sondervermögens, wie es derzeit geplant ist, verpuffen wird. Aus seiner Sicht sind ein Abbau bürokratischer Hürden und eine Deregulierung wesentliche Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Situation.
Auf die Frage des Moderators, Reporter der SPIEGEL-Chefredaktion Thomas Schulz, wie die Reaktion der Bevölkerung auf diese Situation sei, erläutert Feld, es gebe zwar ein Problembewusstsein, aber die Bereitschaft, eigene Nachteile hinzunehmen, sei gering. „Es muss wohl noch schlimmer kommen, bevor es besser wird“, befürchtet Feld und auch Schnitzer glaubt, die Schmerzgrenze, die zu tatsächlichem Umdenken führt, sei noch nicht erreicht. Die Zurückhaltung der Bundesregierung, die Empfehlungen der Wirtschaftsweisen konsequent umzusetzen, vermutet Schnitzer vor allem in der Sorge, die Wählerinnen und Wähler an die AfD zu verlieren. Aufgrund des Strukturwandels und des Beschäftigungsrückgangs etwa in der Automobilindustrie sei „eine blaue Welt in den Werkshallen“ zu befürchten.
Ohne Konsum kein Anspringen der Konjunktur
„Der Konsum macht mehr als 50 Prozent des BIP aus und daher sind die Konsumentinnen und Konsumenten entscheidend“, sagt Dr. Katharina Gangl, die im Oktober 2025 als Direktorin für den Bereich Studien ans NIM berufen wurde. Das Forschungsinstitut aus Nürnberg ist der Gründer des deutschen Marktforschungsunternehmens GfK (mittlerweile NielsenIQ) und stellt die grundsätzliche Erforschung von Konsumentscheidungen in den Fokus seiner Arbeit. „Das Konsumklima ist ein Frühindikator für die Konjunktur, die Stimme der Verbraucher und der Puls der Wirtschaft.“
Rolf Bürkl, Head of Consumer Climate beim NIM, beobachtet den privaten Konsum seit über 30 Jahren. Die November-Erhebung zeigt: Das Konsumklima stagniert, die Einkommenserwartung liegt um den Nullpunkt und die Anschaffungsneigung bleibt niedrig. Historisch hoch ist hingegen schon länger die Sparneigung. „Die Leute haben das große Bedürfnis, Geld zurückzulegen, statt es auszugeben“, weiß Bürkl aus den Befragungen.
Anja Bauer, Senior Researcher Consumer Climate beim NIM, ergänzt, wie stark persönliche Erinnerungen das Verhalten der Menschen prägen. Obwohl die Hochinflationsphase längst vorbei ist, prägt die Erinnerung daran immer noch die Wahrnehmung der Menschen sowie deren Einkommenserwartungen, Sparverhalten und Anschaffungsneigung. Bauer machte deutlich, welche Haushalte die Inflation besonders stark spüren – oft stärker als es in den amtlichen Statistiken erfasst wird – und wie sich dies auf die zentralen Indikatoren des Konsumklimas auswirkt. Die subjektive Inflationserwartung belastet die wirtschaftliche Stimmung insgesamt.
In der hochkarätig besetzten Diskussionsrunde wird deutlich, dass Maßnahmen zur Förderung des privaten Konsums in den politischen Wirtschaftsinstrumenten – trotz dessen Bedeutung – weitgehend ausbleiben.
Astrid Teckentrup, Vorsitzende der Geschäftsführung von Procter & Gamble DACH, vertritt die Stimme der Unternehmen. Sie weiß: „Konsum kann die Konjunktur ankurbeln, wenn er die Lebensqualität verbessert.“ Sie beschreibt, wie ihr Unternehmen durch Innovationen und „erlebbare Qualität“ dazu beitragen möchte. Dabei sei ein Austausch mit den Konsumenten auf Augenhöhe wichtig
Katharina Gangl vom NIM weist darauf hin, dass es beim Verhalten von Konsumentinnen und Konsumenten nicht primär um die tatsächlichen Preise und Kosten geht. Konsum hat viel mit Zeitgeist und dem Image der Produkte zu tun – und beides kann sich rasch wandeln. Als Beispiel nennt sie Tesla. Ehemals als modernes und fortschrittliches Produkt wahrgenommen, ist der Ruf der Elektroautos dieses Anbieters zuletzt nicht mehr so positiv. Gangl warnt vor zu starkem Zukunftspessimismus: „Düstere Aussichten sind nicht gut für den Konsum.“ Es sei wichtig, dass gerade junge Menschen mit Zuversicht in die Zukunft blicken. „Daran müssen alle arbeiten.“
Der ehemalige Sachverständigenrat-Experte Professor Peter Bofinger ergänzt: „Als ich jung war, war der Konsum sehr viel materieller.“ Schallplatten, Fotoapparate, Kassettenrekorder – das alles brauche man heute nicht mehr. Dennoch: „Der private Verbrauch spielt eine zentrale Rolle für das Wirtschaftswachstum.“
Professorin Monika Schnitzer bringt es im Gespräch auf den Punkt: „Wenn der Konsum schwächelt, schwächelt die Konjunktur“.
Mit dieser Veranstaltung setzt das NIM ein Zeichen für fundierten, auf Forschung fußenden Austausch und gesellschaftlichen Dialog in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Die Veranstaltung soll im kommenden Jahr fortgesetzt werden.
Konsumklima Summit powered by NIM
Der Konsumklima Summit powered by NIM ist eine jährlich im Herbst stattfindende Veranstaltung, die das Konsumklima und die Konjunkturlage in Deutschland in den Mittelpunkt stellt. Der Summit wurde 2024 vom Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) ins Leben gerufen. Ziel ist es, Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zusammenzubringen, um die aktuelle Lage zu diskutieren, die Hintergründe der Konsumstimmung zu analysieren und daraus auch Empfehlungen für verschiedene Stakeholder abzuleiten.
Das seit 1974 regelmäßig und seit 1980 monatlich erhobene GfK Konsumklima gilt als wichtiger Indikator für das Konsumverhalten der Verbraucher und als Wegweiser für die konjunkturelle Entwicklung Deutschlands. Seit Oktober 2023 werden die von GfK erhobenen Daten des Konsumklimas gemeinsam mit dem Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM), Gründer der GfK, ausgewertet und herausgegeben.
Über das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen e. V.
Das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) ist ein Non-Profit Forschungsinstitut an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis. Das NIM untersucht, wie sich Konsumentscheidungen durch neue Technologien, gesellschaftliche Trends oder die Anwendung von Behavioral Science verändern und welche mikro- und makroökonomischen Auswirkungen das für den Markt und die Gesellschaft hat. Ein besseres Verständnis von Konsumentscheidungen und ihren Auswirkungen hilft Gesellschaft, Unternehmen, Politik und Konsumenten, bessere Entscheidungen im Sinne der sozial-ökologischen Marktwirtschaft und des „Wohlstands für Alle“ zu treffen.
Das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen ist Gründer der GfK.
Weitere Informationen unter www.nim.org und LinkedIn.
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Nürnberg Institut für Marktentscheidungen e. V.
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