Forschung
Past over Future?
Seit der Erfindung des MP3-Codecs durch das Fraunhofer Institut und der Einführung der ersten tragbaren digitalen Musikabspielgeräte sind gerade einmal 20 Jahre vergangen. Seitdem sind zahlreiche bahnbrechende Technologien und Produkte entwickelt worden, die das Musikgeschäft grundlegend verändert haben.

Infolgedessen mussten die Unternehmen ihr Geschäftsmodell entsprechend anpassen oder erneuern. Einige nutzten die neuen Möglichkeiten, wie Apple mit iTunes und der iPod-Reihe, während andere, die an ihren traditionellen Geschäftsmodellen der Musikvermarktung festhielten, wie Tower Records, darunter litten oder sogar ihr Geschäft aufgeben mussten.
Wie die Musikindustrie stehen seit Anfang der 2000er-Jahre auch viele andere Branchen vor ähnlichen Herausforderungen. Die zunehmende Dynamik der technologischen Entwicklung könnte dazu führen, dass Entscheidungen auf der Ebene der Geschäftsmodelle in kürzeren Abständen getroffen werden müssen. Laut einer aktuellen Studie des NIM hat sich die Lebenserwartung von Geschäftsmodellen während der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen beschleunigten Digitalisierung sogar verkürzt.
Natürlich ist die Innovation eines Geschäftsmodells nicht per se die beste Lösung und hängt von verschiedenen Faktoren ab, aber sie gilt als eine der Determinanten für den Unternehmenserfolg. Im Gegensatz dazu führte die Entscheidung, das Geschäftsmodell nicht zu innovieren, in einigen Fällen sogar zum Scheitern von Unternehmen oder beschleunigte zumindest das Scheitern etablierter Unternehmen.
Empirische Untersuchungen zeigen jedoch, dass sich Unternehmen häufig dagegen entscheiden, ihr Geschäftsmodell zu erneuern oder anzupassen, insbesondere bei Marktbedrohungen wie Markteinsteigern oder potenziell marktverändernden technologischen Entwicklungen.
Dieses Phänomen, dass Unternehmen bei Marktbedrohungen eher an vertrauten Lösungen festhalten, wird als Threat Rigidity bezeichnet: Unternehmen, die mit externen Bedrohungen konfrontiert sind, reagieren eher zurückhaltend, sind stärker nach innen gerichtet und neigen dazu, auf vertraute und routinemäßige Handlungsmuster zurückzugreifen.
Nach der Threat-Rigidity-Theorie reagieren Manager bei Bedrohungen mit risikoaversem Verhalten und bei Chancen mit risikofreudigem Verhalten. Dies widerspricht jedoch typischen Erkenntnissen aus der Literatur zum Risikoverhalten, insbesondere der Prospect Theory, nach der Individuen eher risikofreudig sind, wenn dadurch Verluste vermieden werden können.
Die Risikowahrnehmung in einer bestimmten Situation kann aber nicht nur von potenziellen Bedrohungen oder Chancen beeinflusst werden, sondern auch von den Erfahrungen des Entscheidungsträgers, sei es mit früheren Geschäftsmodellinnovationen oder einfach dem Status quo, z. B. der bisherigen Entwicklung des Unternehmens. Manager erfolgreicher Unternehmen verhalten sich möglicherweise risikofreudiger als Manager von Unternehmen, die in der Vergangenheit Verluste erlitten haben.
In diesem Projekt untersuchen wir, als wie riskant Geschäftsmodellinnovationen unter Marktbedrohungen bzw. -chancen wahrgenommen werden, wie sich dies auf das Innovationsverhalten auswirkt und welchen Einfluss die bisherige Entwicklung des Unternehmens hat.
Die wichtigsten Ergebnisse
Bei Marktbedrohungen tendieren Topmanager zum Status quo und weniger zu Innovationen.
Die durchschnittliche Bevölkerung verhält sich bei drohenden Verlusten tendenziell risikosuchend.
Topmanager hingegen verhalten sich risikoavers bei drohenden Verlusten.
Topmanager sind stärker gegenwartsbezogen als die durchschnittliche Bevölkerung.
Projektteam
- Dr. Matthias Unfried, Head of Behavioral Science, NIM, matthias.unfried@nim.org
- Dr. Michael Zürn, Researcher, NIM, michael.zuern@nim.org
Kooperationspartner
- Prof. Dr. Elena Freisinger, Technische Universität Ilmenau
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