NIM Marketing Intelligence Review – Generative KI - Die Transformation des Marketings

Aufbauen auf ChatGPT: Die Anwendung von Large Language Models im Marketing

Large Language Models Marketing-Content Search Engine Optimization Mensch-Maschine-Kollaboration

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Generative KI kann Produktivität und Leistung deutlich steigern, aber die Fähigkeiten von Marketingexperten nicht vollständig ersetzen.

Eine neue Ära der KI-Unterstützung

Als Open AI ChatGPT der Öffentlichkeit vorstellte, herrschte weltweit Erstaunen darüber, was Large Language Models (LLMs) – die Art von generativer KI hinter der Chat-ähnlichen Oberfläche – zu leisten imstande sind. Obwohl LLMs wie fühlende Maschinen wirken, sollte man sie eher als „stochastische Papageien“ oder eifrige Praktikanten betrachten, denn trotz ihrer offensichtlichen Fähigkeiten werden LLMs nicht für einen bestimmten Kontext ausgebildet. Sollen sie neue Kunden gewinnen? Bestehende Kunden binden? Oder wollen wir Unterstützung für Direktmarketing oder einen Blogbeitrag? Der Verwendungszweck eines Textes bestimmt letztlich, was einen erfolgreichen Inhalt ausmacht. Wenn es gelänge, bereits entwickelte Inhalte zu filtern und nur jene zu verwenden, die für ganz bestimmte Aufgaben erfolgreich eingesetzt wurden, könnte man versuchen, ein neues Erfolgsrezept zu entwickeln. Tatsächlich ist das kein Wunschdenken, sondern ein gangbarer Ansatz zur Anpassung von LLMs für Marketinganwendungen, den wir im Bereich des Suchmaschinenmarketings bereits erfolgreich erproben konnten.

LLMs erbringen gute Leistungen „inside the box“

Abbildung 1 zeigt schematisch, welche Art von Projekten mehr oder weniger von LLMs profitieren können. Um LLMs wie die GPT-Serie von OpenAI oder Gemini von Google nutzbar zu machen, müssen wir „out of the box“-Probleme in „inside the box“-Konzepte umwandeln, bei denen LLMs brillieren. „Inside the box“-Denken nutzt die Muster in vorhandenen Daten. Fragen Sie ein LLM nach dem Rezept für ein traditionelles Dessert, wird es auf viele Beispieldaten zurückgreifen können. Wenn Sie unterschiedliche DessertRezepte mischen möchten, wird das LLM beobachtete Beziehungen in den Trainingsdaten nutzen, um eine einzigartige Kombination zu generieren. Dasselbe gilt für die Erstellung von Beschreibungen neuer Produkte, die sich aus früheren Produkten entwickelt haben. 

Anders verhält es sich bei grundlegend neuen Aufgaben. Stellen Sie sich vor, Sie hätten versucht, eines der heute üblichen Smartphones zu beschreiben, bevor es auf den Markt kam. Man hätte das Gerät leicht als Miniaturcomputer mit einer leistungsstarken Kamera beschreiben können, der zufällig auch noch telefonieren kann. Selbst heute sprechen wir noch davon, eine Nummer zu „wählen“, obwohl viele Menschen noch nie ein Telefon mit Wählscheibe gesehen haben. Es ist leicht, die heutigen Produkte in ihre Bestandteile zu zerlegen, wie es die Conjoint-Analyse tut, aber versetzen Sie sich doch einmal in die Anfangszeit des Telefons. Wer damals über ein Telefon schrieb, hatte keine Ahnung von den Möglichkeiten eines heutigen Smartphones. Um wirklich neue Produkte zu entwickeln, muss man über den Tellerrand und bisher Gesehenes hinausschauen. Echte Paradigmenwechsel offenbaren die Unzulänglichkeit der Verankerung in historischen Daten. Wenn etwas noch nie gesehen wurde, gibt es keine Daten, mit denen eine KI trainiert werden kann. Diese Kreativität kann (noch) nicht ersetzt werden.

LLMs brillieren, wenn Mensch und Maschine zusammenarbeiten

KI kann zwar viele Antworten liefern, aber menschliche Erfahrung hilft uns, die richtigen Fragen zu stellen und deren Qualität zu beurteilen. Nehmen wir z. B. eine gemeinnützige Organisation, die versucht, das Spendenaufkommen einer Fundraising-Kampagne zu steigern. Während einige frühere Kampagnen höchst erfolgreich waren, sind andere eher im Sand verlaufen. Wir wollen uns von erfolgreichen Marketinginhalten inspirieren lassen. Indem wir zunächst vergangene Erfolge definieren und identifizieren, können wir ein Schema für die KI-gestützte Generierung von Inhalten erstellen. Textinhalte haben jedoch viele Facetten: Tonalität, Stimmungslagen, Worthäufigkeiten, syntaktische Muster. Die Erstellung neuer Inhalte auf der Grundlage früherer Inhalte übersteigt schnell die Möglichkeiten menschlicher Mustererkennung. Hier unterscheiden sich LLMs, indem sie mehr zuvor beobachtete Muster nutzen können, um neue Inhalte mit den gleichen Sprachmustern zu generieren. Der von uns entwickelte und implementierte Ansatz, der in Box 1 zusammengefasst ist, stützt sich auf die Mustererkennungsfähigkeiten der KI, ergänzt um den geschulten menschlichen Blick.

Erstellung von suchmaschinenoptimierten Inhalten

In unserer Forschung entwickelten wir einen KI-gestützten Algorithmus zur Erstellung von suchmaschinenoptimierten (SEO) Inhalten, eine typische hochskalierbare „inside the box“-Anwendung im oberen rechten Quadranten von Abbildung 1. Das Ziel war einfach: Inhalte zu erstellen, die in Suchmaschinen eine gute Platzierung erhalten. Eine Platzierung weit vorne ist für Marken von größter Bedeutung, da sich Suchmaschinen gut zur Gewinnung neuer Interessenten eignen. Allerdings ist eine Listung irgendwo nicht ausreichend. Die überwiegende Mehrheit der Klicks findet auf der ersten Seite der Suchergebnisse statt, sodass Listungen auf nachfolgenden Seiten kaum Mehrwert bringen. Bei der Erstellung neuer Inhalte war es deshalb unser Ziel, auf der ersten Seite zu erscheinen. Man würde erwarten, dass Inhalte, die den aktuellen TopSuchergebnissen ähneln, gut abschneiden. Die Imitation aktueller Suchmaschinenergebnisse bietet Konsumenten bei der Suche nach bestimmten Themen jedoch keinen Mehrwert. Tatsächlich raten Suchmaschinen aktiv von dieser als Content-Spinning bekannten SEO-Praxis ab. Stattdessen ist es notwendig, einzigartige Inhalte zu erstellen, die den syntaktischen Mustern der besten Suchergebnisse folgen. Um das umzusetzen, könnte man für jede Anfrage ein LLM von Grund auf neu erstellen. Dieser Ansatz ist jedoch viel zu kostspielig. Außerdem sind die für eine bestimmte Anwendung besonders relevanten Inhalte – Websites, die aktuell die besten Suchergebnisse liefern – ziemlich begrenzt. Eine andere Option wäre die Verwendung eines bereits vorhandenen Standard-LLMs. Solche Modelle bieten jedoch keine Möglichkeit, die Sprache an spezifische Aufgaben oder Marken anzupassen. Der Inhalt mag zwar für den Leser natürlich wirken, ist aber nicht darauf ausgelegt, eine gute Suchmaschinenperformance zu erreichen. Daher haben wir einen Mittelweg entwickelt, indem wir ein bestehendes LLM auf der Grundlage einer bestimmten Suchanfrage dynamisch angepasst haben. Die von uns gewählte Vorgangsweise ist in Box 1 beschrieben.

LLMs können zwar einen großen Teil der gestellten Aufgabe übernehmen, aber Marketing funktioniert nach wie vor nicht ohne Human Touch.

Wie der Leistungsunterschied zwischen SEO-Experten und unserem Ansatz erklärbar ist

Während Menschen einfache Faustregeln, beispielsweise die Integration von Keywords, umsetzen, berücksichtigen maschinell generierte Inhalte hochdimensionale Texteigenschaften wie einen thematischen Fit, die optimale Frequenz von Keywords sowie branchenspezifische Sprach- und Lesemuster. Hier stoßen analytische Fähigkeiten des Menschen an ihre Grenzen und LLMs können übernehmen. Man sollte sich jedoch vor Augen halten, dass Maschinen dies nicht alleine tun können. Auch wenn man den Aufwand für menschliche Autoren reduziert, bleibt ihre Rolle bei der Gewährleistung von Korrektheit und Konsistenz mit Markenrichtlinien entscheidend. LLMs können zwar einen großen Teil der gestellten Aufgabe übernehmen, aber Marketing funktioniert nach wie vor nicht ohne Human Touch.

Early Adopters sind begeistert

Für unsere Early Adopters ist der praktische Nutzen solcher Anwendungen unbestritten. Storyblok, ein globaler Anbieter von HeadlessContent-Management-Systemen, zeigte sich beispielsweise begeistert von der „überfälligen Ankunft von Tools für die automatisierte Erstellung von Marketinginhalten“. Die Beurteilungen reichten von „eine interessante Inspirationsquelle“ bis zu „sehr nützlich in Verbindung mit interaktiven Editierprozessen“. Christoph Wendl, Geschäftsführer von Iphos IT solutions und Erfinder der Enterprise-Search-Software searchIT, führte das Gewinnen eines Großauftrags für sein Unternehmen auf die hervorragende SuchmaschinenPerformance der in unseren Pilotstudien erstellten Inhalte zurück. Die erheblichen Kosteneinsparungen durch die Automatisierung von Routineaufgaben ermöglichen es den beteiligten Menschen, sich auf anspruchsvollere Aufgaben zu konzentrieren, wie z. B. die Anpassung von Inhalten an Markenhistorie oder Markenkern.

Viele weitere Anwendungen sind in Sichtweite

Neben der Suchmaschinenoptimierung haben wir ähnliche Prinzipien auf Bereiche wie Suchmaschinenwerbung, Display-Werbung oder Social-Media-Posts angewandt. Zweifellos wird in der Erstellung des gesamten Marketingmaterials bald Automatisierung Einzug halten – bei Texten, Bildern, Audios und Videos. Marketingverantwortliche sollten sich jedoch nicht zu einer „publish and forget“-Mentalität verleiten lassen. Letztendlich sind sie für die Inhalte verantwortlich – unabhängig davon, ob sie von Menschen, Maschinen oder beiden gemeinsam erstellt wurden. Generative KI bleibt ein Tool, das Produktivität und Leistung steigern kann, bietet aber noch keinen vollständigen Ersatz für das Wissen und die Fähigkeiten von Marketingexperten.

LITERATURHINWEISE

Reisenbichler, M., Reutterer, T., Schweidel, D. A., & Dan, D. (2022). Frontiers: Supporting Content Marketing with Natural Language Generation. Marketing Science, 41(3), 441–452.

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