Generative KI und Marketing-Content: Die Karten werden neu gemischt
Download

Melden Sie sich für unseren Newsletter an

NIM Marketing Intelligence Review – Generative KI - Die Transformation des Marketings

Generative KI und Marketing-Content: Die Karten werden neu gemischt

Marketing-Content Marketing-Produktivität Content-Qualität Generative KI

Autorinnen und Autoren

  • Mark Heitmann, Professor of Marketing & Customer Insight, Hamburg University
Download des Artikels

Content als Seele des Marketings

Ein eindrucksvolles Bild, ein einprägsamer Slogan, ein witziges Video: Qualitativ hochwertige Inhalte bauen Marken auf, begeistern ihr Publikum und überzeugen zum Kauf. Der richtige Content entscheidet über den Erfolg verschiedener Marketingaktivitäten und -funktionen wie Werbung, Public Relations, SocialMedia-Marketing, Customer-Relationship-Management, Inbound-Marketing oder den persönlichen Verkauf. Generative KI (GenAI) ist deshalb so revolutionär, weil sie das Potenzial hat, das gesamte Marketing-Ökosystem zu verändern. Viele haben erkannt, dass GenAI dabei helfen kann, hochwertige Inhalte in buchstäblich jeder Form zu produzieren, seien es Text, Bilder oder bestimmte Arten von Videos. Laut einer aktuellen Umfrage des NIM unter 600 B2C-Marketingmanagern gaben etwa 50 % an, bereits regelmäßig und häufig KI-Tools einzusetzen (S. 50). Wie können Marketingfachleute angesichts der Vielseitigkeit und Fülle potenzieller Anwendungen die denkbaren Veränderungen einordnen?

Marketingmanager stehen vor der Herausforderung, sinnvolle Anwendungsbereiche zu identifizieren und neue Indikatoren zu entwickeln, um automatisiertes Marketing effektiv zu steuern.

Der Zielkonflikt zwischen Content-Qualität und -Quantität

Der Einfluss neuer Technologien lässt sich anhand der betroffenen Zielkonflikte verstehen. Für jeden erstellten Marketing-Content muss entschieden werden, wie viel Zeit und Aufwand investiert werden: Wer länger braucht, kann weniger produzieren. Angesichts des schnelleren Tempos und der wachsenden Zahl von Kanälen wird immer mehr Marketing-Content benötigt. Wer Marktchancen nutzen oder rasch auf Wettbewerbsveränderungen und gesellschaftliche Entwicklungen reagieren will, benötigt effiziente Mittel zur Erstellung von Content. Manchmal ist jedoch auch sorgfältiges Abwägen gefragt. Jeder erfolgreiche Vertriebsmitarbeiter analysiert potenziell ertragreiche Kunden sehr genau, bevor er entscheidet, was er ihnen präsentiert und wie er argumentiert. Qualitativ hochwertiger Content wird auch benötigt, wenn man die Kernwerte einer Marke nachhaltig vermitteln möchte, auf einen Social-Media-Shitstorm reagieren muss oder in reichweitenstarke Kanäle wie die traditionelle Fernsehwerbung investieren will. In manchen Situationen ist Qualität schlicht unabdingbar. Letztlich geht es darum, die Köpfe und Herzen der Kunden zu erobern. Diese Form der Kundenbindung gelingt nur denjenigen, die ein tiefes Verständnis ihrer Kunden entwickelt haben. Kundeninformationen zu gewinnen und bei der Kommunikation gezielt zu nutzen, braucht jedoch Zeit und das schränkt die Menge an Inhalten ein, die Marketingabteilungen produzieren können. Aufgrund dieser Einschränkungen lässt sich entweder breit und oberflächlich oder fokussiert und tiefgründig kommunizieren. Je nach Zielsetzung kommen zahlreiche Kommunikationsstrategien in Frage, die einen unterschiedlichen Detaillierungsgrad erfordern. Jeder Schritt der Konzeption macht jedoch implizite Entscheidungen zwischen Quantität bzw. Schnelligkeit und Qualität bzw. Gründlichkeit nötig. In jeder Marketingfunktion und jeder Tätigkeit geht es immer auch um die Frage, ob Perfektion erforderlich ist oder ob Abstriche möglich sind.

Die Verschiebung der Produktivitätsgrenzen der ContentCreation durch GenAI

Der Trade-off zwischen Quantität und Qualität definiert die Produktivitätsgrenze des Marketings. Jedes Unternehmen kann nur eine begrenzte Menge an Inhalten produzieren. Die Ausweitung der Quantität geht auf Kosten der Qualität und umgekehrt. Mit GenAI bricht dieser Zielkonflikt plötzlich auf. Statt wie bislang zwischen Qualität und Quantität wählen zu müssen, lässt sich die Produktivität auf drei Pfaden steigern: Erhöhung der Quantität ohne Qualitätsverlust, Verbesserung der Qualität, ohne die Menge zu reduzieren, und gleichzeitige Steigerung von Quantität und Qualität (siehe Abbildung 1).

> Zusätzlicher Marketing-Content durch GenAI

Besonders offensichtlich sind die Effizienzgewinne, die GenAI ermöglicht. Denken wir an ChatGPT und die darauf aufbauenden Services von Microsoft, Google Gemini oder Metas Open Source Llama. Alle diese Technologien helfen bei der Ideenfindung, der Suche nach alternativen Ausdrucksformen und der Anpassung von Botschaften an bestimmte Zielgruppen und Kanäle. Top-of-the-Funnel-Marketing-Aktivitäten wie Blog- oder Social-MediaBeiträge, Suchmaschinenmarketing, Pressemitteilungen, E-Mail-Marketing, die Neukundengewinnung oder die Erstellung von Landing-Pages für das Inbound-Marketing profitieren von einer effizienteren Erstellung von mehr Content. Spezialisierte Lösungen wie jasper.ai oder copy.ai sind speziell für Marketingzwecke optimiert und können effizient auf Markentonalität, Produktwissen und Website-Informationen aufbauen und den Kontext einer Aufgabe berücksichtigen. Noch größere Effizienzsteigerungen sind bei der Bilderstellung denkbar. Ohne einen Fotografen um die Welt zu schicken, geeignete Locations zu suchen oder das richtige Wetter abzupassen, lassen sich qualitativ hochwertige Bilder erstellen. Dall E, Midjourney oder Stable Diffusion erzeugen ebenso schnell einen Sonnenuntergang am Strand wie ein verschneites Bergdorf. Entwicklungen wie Firefly von Adobe ermöglichen das Hinzufügen eigener Bilder als Vorlagen für Kreationen und Bild-zu-Text-Generatoren. Neuere multimodale Modelle helfen beim Wechsel von der Welt der Bilder in die der Worte und bei der Entwicklung geeigneter Prompts. Zur effizienteren Verbreitung von Inhalten bieten Werbeplattformen wie Meta Tools zur Adaption kreativer Vorlagen, zur Erstellung neuer Hintergründe oder zur Anpassung von Bildern an verschiedene Seitenverhältnisse. Mit Services von Taboola können Werbetreibende komplette Onlineanzeigen mit Überschriften, Texten und Bildinhalten erstellen und automatisiert ausspielen. Diese Anwendungen rund um die Effizienz und Menge der Inhalte sind besonders nützlich, wenn es darum geht, Zielgruppen kontinuierlich mit neuen Inhalten zu bespielen, ohne Zeitverlust von aktuellen Trends zu profitieren, neue Produkte schnell auf den Markt zu bringen oder viele Kanäle und Sprachen zu nutzen. Heinz Ketchup hat beispielsweise rasch auf den Hype um GenAI reagiert und konnte mit verschiedenen Ketchup-bezogenen Prompts zeigen, dass die meisten generierten Ketchup-Bilder der ikonischen Heinz-Flasche ähneln. Mattel berichtet, dass mit Hilfe von GenAI viermal so viele Konzepte für HotWheels-Spielzeugautos erstellt werden konnten. Andere Unternehmen versuchen, ganze Communitys zu aktivieren, um die Vielfalt der Inhalte zu steigern. Coca Cola hat z. B. Künstler eingeladen, sich an der digitalen Plattform Real Magic zu beteiligen und Bilder zu produzieren, die auf Plakatwänden in New York und London gezeigt werden. All diese Entwicklungen sind möglich, weil die Kosten für die Produktion von Inhalten drastisch gesunken sind. Der Kommunikationsriese WPP schätzt die Einsparungen auf das 10- bis 20-Fache. Diese Effizienzsteigerungen entbinden Marketingverantwortliche jedoch nicht von der Verantwortung, wohlüberlegt zu entscheiden, was kommuniziert werden soll. Standard-KI-Modelle liefern zwar beeindruckende Inhalte und lassen sich schnell einsetzen, sind aber nicht für bestimmte Marketingziele optimiert. Eine klare Strategie und operative Maßnahmen, wie z. B. die Entwicklung zielführender Prompts, bleiben nach wie vor unerlässlich, wie der Artikel von Oguz Azar (S. 18) näher ausführt.

> Mehr Qualität durch GenAI

Effizienzgewinne durch GenAI sind eine naheliegende Zielsetzung für viele Marketingmanager. Mit GenAI lässt sich aber auch die Entscheidungsqualität verbessern, weil Entscheider ein größeres Lösungsspektrum erkunden können. Befürworter des agilen Marketings empfehlen schon länger, realistische Konzepte schnell zu testen und anhand von Feedback kontinuierlich zu verbessern. Umsetzbar war dies nur teilweise, weil entweder zu wenige Konzepte für Tests verfügbar waren oder es bei einer größeren Anzahl an der Qualität mangelte. Mit der Möglichkeit, bessere visuelle Darstellungen zu produzieren, können Marketer leichter realistische Konzeptillustrationen erstellen und fundierteres Feedback einholen. Mittels GenAI kann ein breiteres Spektrum von Alternativen besser kommuniziert werden, was die Chancen dramatisch aufwertet, die bestmöglichen Lösungen für einzelne Aufgabenstellungen zu finden. Die neuen Möglichkeiten erfordern jedoch ein Umdenken bei der Bewertung der generierten Alternativkonzepte. Traditionell versucht man viele Antworten von vielen Konsumenten zu wenigen Konzepten einzuholen, um ein detailliertes und differenziertes Feedback zu erhalten. Da Stichprobengrößen und die Anzahl der Fragen nicht beliebig erweiterbar sind, bedeutet das Testen von zusätzlichen Alternativen, dass einzelne Varianten weniger oft und durch weniger Fragen beurteilt werden. Onlineumfragetools wie Qualtrics, quantilope oder QuestionPro integrieren GenAI in ihre Systeme und ermöglichen die schnelle Entwicklung von Umfragen. Aber für hunderte von Alternativkonzepten sind diese Systeme noch nicht ausgelegt. Auch wird die Auswahl der Beurteilungskriterien umso wichtiger, je weniger Indikatoren erhoben werden. Um noch weiter zu skalieren und noch mehr Optionen zu bewerten, lässt sich prädiktive KI mit generativer KI kombinieren. In ihrem Artikel (S. 36) erörtern Christian Scheier und Dirk Held, wie die Integration verschiedener KI-Anwendungen dazu beitragen kann, effizient ein handhabbares Spektrum wirklich relevanter Konzepte zu finden. Ein anderer Ansatz besteht darin, GenAI direkt für die Bewertung zu nutzen. Mit entsprechenden Prompts lassen sich sehr spezifische Fragen stellen und sogar individuelle Kundenprofile simulieren. Im Bereich der Preisgestaltung liefert bereits eine Standardversion von ChatGPT für gängige Produkte plausible erste Einschätzungen. Diese Beobachtungen legen nahe, dass mit besseren Trainingsdaten noch bessere Prognosen möglich sind und GenAI ein hilfreiches Tool in der Marktforschung werden könnte. Obwohl die genaue Ausgestaltung noch unklar ist, deuten sich bereits heute faszinierende Möglichkeiten an, flexible Simulationen für diverse Marktbedingungen durchzuspielen. Die Fähigkeit, dort in die Tiefe zu gehen, wo Potenziale vermutet werden, kann entscheidend dazu beitragen, wirklich relevante Einsichten zu erzielen. GenAI kann dabei nicht nur „Was-wäre-wenn“-Szenarien simulieren, sondern auch auf Knopfdruck klare Erläuterungen und relevante Visualisierungen bereitstellen. Im Vertrieb, einem weiteren Bereich, der mit höchst unterschiedlichen und unstrukturierten Informationen umgehen muss, wie beispielsweise E-Mail-Korrespondenzen und Audio- oder Videoaufnahmen persönlicher Interaktionen, kommen immer öfter Services wie Microsoft Sales Copilot oder Salesforce Einstein GPT zum Einsatz. Diese analysieren und kombinieren ihre Informationen mit Daten aus anderen, teilweise öffentlich verfügbaren Quellen. GenAI ist für die Zusammenfassung solcher Inhalte hervorragend geeignet. Die Technologien befähigen Vertriebsmitarbeiter dazu, den erforderlichen Detailierungsgrad abzurufen, ohne dabei subtile Signale und sprachliche Nuancen einzelner Kunden oder Unterschiede zwischen verschiedenen Kunden zu vernachlässigen. Dadurch wird sichergestellt, dass keine wichtigen Details übersehen werden. So lassen sich kurze Zeitfenster besser nutzen. Gleichzeitig ergeben sich neue Freiräume, weil einfache Aktivitäten wie die Ablage, das Durchsuchen oder die Interpretation von Notizen dramatisch beschleunigt werden. Im Artikel zu diesem Thema (S. 30) weisen Xueming Luo und seine Kollegen solche Effizienzeffekte empirisch nach, betonen aber, dass die Entlastung der Vertriebsmitarbeiter von banalen Aufgaben deren Arbeit anspruchsvoller macht.

GenAI kann nicht nur für den Einsatz in der Werbung trainiert werden, sondern auch für andere Funktionen des Marketings.

> Mehr Content bei gleichzeitig besserer Qualität

Im Bereich der Werbung hat das Internet die Kosten für die Verbreitung von Inhalten drastisch reduziert und kleinen Werbetreibenden mit begrenzten Budgets den Zugang erleichtert. Menge und Vielfalt der Inhalte und Kommunikationskanäle haben sich schon jetzt dramatisch erhöht. Es ist absehbar, dass GenAI diese Entwicklung nochmals antreiben wird. Je mehr Botschaften über die verschiedensten Kanäle gesendet werden, desto anspruchsvoller wird es, sich von der Masse abzuheben und spezifische Zielgruppen mit optimal passenden Inhalten anzusprechen. Eine große Hoffnung liegt auf der sogenannten Hyperpersonalisierung, die GenAI ermöglichen soll. Die Idee ist, personalisierte Inhalte nicht nur an die richtigen Empfänger zu verteilen, sondern auch automatisiert zu erstellen. Eine Fluggesellschaft könnte beispielsweise unterschiedliche Anzeigen schalten und die Landing-Pages entsprechend anpassen, abhängig davon, ob Kunden ein bestimmtes Reiseziel bereits besucht haben. Während jeder Leser dieses Artikels vermutlich viele Ideen hat, welche Anpassungen man vornehmen könnte, gestaltet sich die automatisierte Anpassung mithilfe von GenAI weniger trivial. Besonders herausfordernd ist dabei die gleichzeitige Optimierung von Content-Erstellung und -Verbreitung, zwei sehr unterschiedlichen Aufgaben (siehe Interview mit Taboola-CEO Adam Singolda, S. 56). Eine umfassende Hyperpersonalisierung erfordert die Bewältigung zahlreicher technischer Herausforderungen. Nicht zuletzt ist es erforderlich, für bestimmte Marketingziele optimierte Inhalte zu generieren, ohne dass menschliches Eingreifen notwendig ist. Die Frage, ob GenAI das schafft und Aufgaben übernehmen kann, die bisher von Teams aus Marktforschern, Markenmanagern und Kreativagenturen erledigt wurden, ist von entscheidender Bedeutung. Die Anforderungen gehen weit über die üblichen Anwendungen von GenAI hinaus. Diese können Content produzieren und über entsprechende Prompts auch Werbekonzepte vorschlagen. Die Aufgabe scheint also lösbar. Die Vorschläge von ChatGPT oder Midjourney basieren jedoch auf Modellen, die mit objektiven Daten trainiert wurden. Midjourney kann beispielsweise Bilder von Autos, Stühlen oder Katzen erzeugen. Im Bereich der Texte schafft es ChatGPT in der Regel, Fakten korrekt wiederzugeben. Doch die Auswahl und Kreation von Inhalten, die eine spezifische Zielgruppe ansprechen sollen, ist deutlich komplexer, denn für zielgruppenspezifische Marketingziele gibt es keine objektive Wahrheit. Was im Marketing funktioniert, ist subjektiv und variiert von Mensch zu Mensch und Situation zu Situation. Um für einen speziellen Kontext funktionierenden Content zu entwickeln, sind maßgeschneiderte Modelle erforderlich, wie Christina Schamp und Kollegen in ihrem Artikel (S. 42) erläutern. Diese müssen mit repräsentativen Daten zur menschlichen Wahrnehmung trainiert werden und einen Prozess durchlaufen, wie er in Box 1 und 2 beschrieben ist. 

GenAI kann nicht nur für den Einsatz in der Werbung trainiert werden, sondern auch für andere Funktionen des Marketings. Ähnliche Ergebnisse wie in Box 2 wurden auch in Studien im Bereich des Produktdesigns oder beim Suchmaschinenmarketing dokumentiert – siehe Artikel von David Schweidel und Kollegen (S. 24). Diese Entwicklungen ermöglichen also sowohl Qualitäts- als auch Quantitätssteigerungen im Marketing. In der Werbung ist die automatisierte Qualitätsoptimierung beispielsweise die Grundlage für die Umsetzung der Hyperpersonalisierung. Während wir Bilder mit Daten der Durchschnittsbevölkerung trainiert haben, kann das Gleiche auch für spezielle Märkte oder Zielgruppen durchgeführt werden. Aktuelle Entwicklungen bei multimodalen Modellen wie Google Gemini, OpenAI GPT-4 oder Apple Ferret eröffnen Möglichkeiten für tiefergehende Bilddiagnosen und damit für eine gezielte Anpassung an jeden Markt oder jede Zielgruppe. Die Informationen könnten in Large Action Models oder andere GenAI-basierte Agentensysteme einfließen, die Manager beraten, eigenständig Entscheidungen treffen und durch kontinuierliche Erfassung und Berücksichtigung von Feedback laufend verbessert werden.

GenAI-Entwicklungen im Marketing sind vielversprechend, aber es gibt noch viele Herausforderungen

Wie die Beispiele zeigen, verschieben sich die Produktivitätsgrenzen der Inhaltserstellung dramatisch. In diesem volatilen Umfeld gilt es zu überlegen, ob die Steigerung der Quantität, der Qualität oder eine ausgewogene Kombination beider Ziele im Vordergrund stehen soll. Jedes dieser Ziele bringt unterschiedliche Herausforderungen mit sich, die es sorgfältig zu lösen gilt.

> Experimentieren Sie mit verfügbaren Tools und adaptieren Sie Organisationsstruktur und Rollen

Bereits Standardmodelle bieten verschiedene Optionen zur Verbesserung der Effizienz und ermöglichen die Erstellung von wesentlich mehr Content. Um Effizienzgewinne durch GenAI optimal zu nutzen, ist es entscheidend, mit den vielfältigen verfügbaren Tools zu experimentieren. Nicht jedes Tool eignet sich für jede Anwendung und das Prompten von KI-Modellen bleibt anspruchsvoll. Weil sich Nutzer auf die einzelnen Technologien einstellen müssen, ist es wichtig, die besten Partner für unterschiedliche Aufgaben der Content-Erstellung zu identifizieren. Förderlich dafür ist eine Kultur der Offenheit und des Experimentierens. Dabei sollte man jedoch beachten, dass Systeme nicht immer vorurteilsfrei agieren und Rollenklischees verstärken können. Es ist zudem unabdingbar, dass digitale Rechte gewahrt bleiben und menschliche Kontrolle stattfindet. Gleichzeitig Offenheit und Flexibilität zu ermöglichen und sinnvolle Kontrollen zu implementieren, ist nicht einfach. Coca Cola hat z. B. die Position eines „Head of Generative AI“ eingeführt. In solchen Funktionen braucht es ein gutes Gespür dafür, wie man ein Gleichgewicht zwischen notwendigen Bottom-up-Experimenten und der erforderlichen Top-down-Kontrolle herstellen kann.

> Trainieren Sie KI-Modelle mit marken- und kundenspezifischen Daten

Trotz aller Technologie dürfen wir nicht vergessen, dass es am Ende Menschen sind, die die bestmöglichen Entscheidungen treffen sollten. Dazu bedarf es der Anpassung von Systemen an individuelle Bedürfnisse und der Unterstützung von Entscheidungsträgern, um traditionelle Aufgaben besser zu erfüllen. Hierfür sind unternehmensspezifische Daten und feine Justierungen für die angestrebten Ziele nötig. GenAI die richtigen Fragen zu stellen und daraus korrekte Schlussfolgerungen abzuleiten, ist ebenfalls keine triviale Aufgabe. Ob es um Innovation, Werbung, Produktdesign oder Vertrieb geht, GenAI kann als Hebel genutzt werden, um einen noch größeren Mehrwert aus dem vorhandenen Fachwissen zu ziehen. Mit dem richtigen Vorwissen lassen sich nicht nur bessere Prompts finden, GenAI selbst hilft auch beim Wissensaufbau und erlaubt es Mitarbeitern, schneller und individueller zu lernen. 

> Definieren Sie Anwendungsbereiche und entwickeln Sie neue KPIs

Content-Menge und -Qualität gleichzeitig voranzutreiben, verspricht einen besonders großen Mehrwert, ist aber auch besonders herausfordernd. Es ist noch unklar, in welchen Bereichen sowohl eine Steigerung der Qualität als auch der Quantität durch GenAI möglich ist. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Autowerbung wie in unserem Beispiel lässt sich mithilfe von GenAI viel leichter automatisiert umsetzen als z. B. Werbung im Bereich Mode oder Kosmetik, die stärker von menschlicher Präsenz geprägt wird. Das stellt Marketingmanager vor die Herausforderung, sinnvolle Anwendungsbereiche zu identifizieren und neue Indikatoren zu entwickeln, um automatisiertes Marketing effektiv zu steuern. Je mehr automatisiert kommuniziert wird, desto wichtiger wird die Überwachung relevanter Erfolgsindikatoren. Das erfordert neben neuen Indikatoren auch eine Neudefinition der Rollen aller internen und externen Beteiligten an der Content-Erstellung. 

Eine besonders erfolgreiche Anwendung von GenAI liegt in der Weiterentwicklung von GenAI selbst. Auf diese Weise treibt GenAI das eigene Innovationstempo voran. Vielversprechende Weiterentwicklungen finden sich in hochindividualisierten Services für spezifische Aufgaben, verbesserter Multimodalität, einem tieferen Verständnis von Bild- und Videoinhalten sowie verbesserten Reaktionen auf individuelle Benutzereingaben. Menschliches und automatisiertes Marketing werden mehr denn je zusammenwachsen und beidseitig voneinander profitieren. Durch Offenheit, Lerninteresse und einen Blick über den Tellerrand können Manager sowohl Effizienz als auch Effektivität in einer selten dagewesenen Weise vorantreiben.

LITERATURHINWEISE

Brand, J., Israeli, A., & Ngwe, D. (2023). Using GPT for Market Research. Harvard Business School Marketing Unit Working Paper No. 23–062. SSRN: ssrn.com/abstract=4395751

Burnap, A., Hauser, J. R., & Timoshenko, A. (2023). Product Aesthetic Design: A Machine Learning Augmentation. Marketing Science, 42(6), 1029–1056.

Jansen, T., Heitmann, M., Reisenbichler, M., & Schweidel, D. A. (2023). Automated Alignment: Guiding Visual Generative AI for Brand Building and Customer Engagement. SSRN: ssrn.com/abstract=4656622

Autorinnen und Autoren

  • Mark Heitmann, Professor of Marketing & Customer Insight, Hamburg University


Weitere Artikel der MIR-Ausgabe “Generative KI - Die Transformation des Marketings”

Hier finden Sie weitere spannende Artikel dieser Ausgabe.

Zur gesamten Ausgabe

Prompt-Engineering und mehr: Schlüsselkompetenzen für den erfolgreichen Einsatz von generativer KI im Marketing

Manager müssen eine Reihe ergänzender Fähigkeiten entwickeln, um das Potenzial generativer KI voll auszuschöpfen.

Zum Artikel

Aufbauen auf ChatGPT: Die Anwendung von Large Language Models im Marketing

Generative KI kann Produktivität und Leistung deutlich steigern, aber die Fähigkeiten von Marketingexperten nicht vollständig ersetzen.

Zum Artikel

Kreativ statt repetitiv: Wie KI Verkaufsmitarbeiter entlasten kann

Durch KI-Unterstützung kann der Verkauf deutlich effizienter, aber auch herausfordernder und intensiver für Verkäufer werden.

Zum Artikel

Doppelte Wirkung: Generative und evaluative KI für effektive Marketingentscheidungen

Für die nachhaltige Implementierung von KI in Unternehmen ist es notwendig, sowohl generative als auch evaluative KI zu integrieren.

Zum Artikel

Bye-bye Bias: Was beim Training generativer KI-Modelle für subjektive Marketingmetriken zu beachten ist

Mögliche Biases in Trainingsdaten sollten bereits vor dem Training eines KI-Modells erhoben und beseitigt werden.

Zum Artikel

Der Hype im Realitätscheck: Generative KI im Marketing

Eine Studie des Nürnberg Institut für Marktentscheidungen zeigt, dass Marketingexperten klare Vorteile des Einsatzes generativer KI im Marke

Zum Artikel

Interview: One-Stop-Kampagnen - Wie generative KI die digitale Werbung verändert

Interview mit Adam Singolda, Gründer und CEO von Taboola

Zum Artikel

Jüngste Ausgaben

2024-10

Platform Business

Plattform-Strategien Plattformen und Markenidentität Business Innovation
Zur Ausgabe

2024-04

Generative KI - Die Transformation des Marketings

Zur Ausgabe
Zum Seitenanfang