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KI – Zwischen Hoffnung und Angst
Woran denken Sie, wenn Sie „künstliche Intelligenz“ hören? Roboter? Selbstfahrende Autos? Vollautomatisierte Lager? Algorithmen, die sich selbst verbessern? Oder gar an den Untergang der Menschheit? Die meisten von uns haben einen zu engen oder einen zu weiten Blickwinkel auf das Thema. Beides ist gefährlich. Die einen sehen nur den nächsten Hype, mit dem die großen Technologiekonzerne ihre Produkte und Leistungen verkaufen wollen. Die anderen fürchten, künstliche Intelligenz (KI) könnte die Weltherrschaft übernehmen und den Menschen verdrängen. Dazwischen gibt es viele, die nicht recht wissen, was sie davon halten sollen. Doch ganz gleich, wie Sie zu KI stehen, hat die Ära des automatisierten Marketings bereits begonnen. Wir sagen Alexa, sie soll Artikel in unseren virtuellen Einkaufswagen legen, wir lassen uns von Google in einer unbekannten Stadt den Weg zum nächsten Sushi-Restaurant zeigen und wir verwandeln die kryptischen Schriftzeichen einer fremden Sprache per Mausklick in einen für uns lesbaren Text.
KI – Zurück in die Zukunft
Wenn wir die heutige wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung von künstlicher Intelligenz verstehen wollen, müssen wir einen Blick in die Vergangenheit werfen. KI klingt neu, ist es aber nicht. Der Begriff wurde bereits 1956 im Förderantrag für die sogenannte „Dartmouth Conference“ geprägt. Dies war ein Forschungsprojekt von führenden Informatikern und Mathematikern, die gemeinsam herausfinden wollten, wie es gelingen kann, dass „Maschinen Sprache verwenden, Abstraktionen vornehmen und Konzepte entwickeln, Probleme lösen, die bisher nur von Menschen gelöst werden können, und sich selbst weiter verbessern“. Das liest sich wie die Beschreibung einer aktuellen KI-Konferenz im Silicon Valley oder anderswo. Aber künstliche Intelligenz gibt es als Forschungsbereich eben schon seit Jahrzehnten, und die Wissenschaftler arbeiten eigentlich von jeher an den gleichen Problemen, vom maschinellen Sehen bis hin zur Verarbeitung von natürlicher Sprache. Was ist passiert? In den 70er- und 80er-Jahren gingen die Forschungsaktivitäten im KI-Bereich deutlich zurück; diese Phase wird auch als „KI-Winter“ bezeichnet. Die staatliche Finanzierung von entsprechenden Forschungsprogrammen ließ erheblich nach, und die Unternehmen verloren das Vertrauen in die vollmundigen Versprechen, die zu Beginn der KI-Forschung gemacht worden waren. Dass der Fortschritt ins Stocken kam, hängt mit einer Reihe von Faktoren zusammen, aber eines der größten Hindernisse war die mangelnde Rechenleistung von Computern, die damals nicht ausreichend große Datenmengen verarbeiten konnten.
KI – Reloaded
Ende der 90er-Jahre begann ein neuer KI-Frühling. IBMs Schachcomputer Deep Blue schaffte es 1997 als erste Maschine, den damals amtierenden Schachweltmeister Garri Kasparow zu schlagen. Gleichzeitig investierten große Forschungseinrichtungen weltweit, allen voran die staatlichen Hochschulen in Japan, in die Entwicklung einer neuen Generation von Computersystemen. Unterdessen mobilisierte die Dotcom-Blase in nie gekanntem Ausmaß Seed-Finanzierung für Technologieunternehmen; die Preise für Datenspeicher brachen ein, und die Rechenleistung von Computern schnellte exponentiell in die Höhe. Das Platzen der Dotcom-Blase verursachte einen kleinen Rücksetzer, konnte den Fortschritt der technischen Infrastruktur und die Entwicklungen im Bereich des maschinellen Lernens aber nicht aufhalten. Damals wurde die Grundlage für viele der Geräte und Leistungen gelegt, die heute für uns selbstverständlich sind. Unternehmen wie Amazon, Google, Alibaba oder Baidu verdanken ihre marktbeherrschende Stellung der Weiterentwicklung und Nutzung der künstlichen Intelligenz.
KI – Klar definierte Probleme besser lösen als der Mensch
Aber was genau ist künstliche Intelligenz, und was bedeutet sie für unser Leben? Zunächst einmal gibt es zwei Grundtypen: schwache KI (Artificial Narrow Intelligence, ANI) und starke KI (Artificial General Intelligence, AGI). Erstere bezieht sich auf Maschinen, die in der Lage sind, spezifische, eng definierte Aufgaben zu erledigen. Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie es möglich ist, dass Ihr Smartphone Bilder nach Personen sortiert? Wie kann Ihr Telefon diese Personen „kennen“, um sie korrekt zuzuordnen? Ihr Handy – genauer gesagt die Bildverarbeitungssoftware – kennt die Personen natürlich nicht. Die Menschen, die dahinter stehen, sind für das System auch ohne Belang. Die Software erledigt schlicht und ergreifend eine klar definierte Aufgabe: Suche Fotos mit Menschen, die ähnlich oder gleich aussehen. Künstliche Intelligenz sortiert Fotos, filtert Spam-Mails aus dem Posteingang, erfasst Ihren Standort für Restaurant-Empfehlungen oder wandelt Ihre Stimme in einen maschinenlesbaren Text um, wenn Sie mit Siri oder Google Assistant sprechen. In all diesen Fällen löst künstliche Intelligenz klar definierte Aufgaben ohne menschliches Eingreifen.
Erinnern Sie sich noch, als der IBM-Computer Watson das amerikanische Fernsehquiz Jeopardy gegen den Rekordgewinner Ken Jennings gewann? Dahinter steckte eine sehr begrenzte Form der Intelligenz: Das System war „lediglich“ in der Lage, die Antworten blitzschnell in einer riesigen Datenbank nachzuschlagen. KI schlägt den Menschen inzwischen in vielen Bereichen; spezialisierte Systeme erkennen Melanome besser als viele Ärzte, und leistungsstarke Analyse-Engines erstellen auf Basis Ihrer Facebook-Likes ein zutreffenderes psychologisches Profil von Ihnen als es Ihre engsten Freunde könnten. In all diesen Fällen gibt es ein klar definiertes Problem, und die meisten KI-Anwendungen, die wir heute nutzen, basieren auf dieser schwachen Form der künstlichen Intelligenz.