Kameras und Sensoren erfassen die Customer Journey in Läden
Den Weg der Kunden durch einen Laden nachzuvollziehen bringt Erkenntnisse, die sich für viele Zwecke nutzen lassen – vom Optimieren des Ladenlayouts über den besten Ort für Zweitplatzierungen bis hin zu tageszeitabhängigen Angebotsanpassungen. In einer Machbarkeitsstudie haben wir eine Einkaufstypologie auf Basis von Laufwegen entwickelt. Dazu wurde in einem deutschen Supermarkt über einen Zeitraum von einem Jahr erfasst, welche Wege Kunden durch den Markt nehmen. Ultrabreitbandantennen (UWB) haben die Signale von batteriebetriebenen Sendern aufgezeichnet, die an Einkaufswagen und Einkaufskörben befestigt waren. Auf Basis von Faktoren wie die zurückgelegte Strecke pro Tour durch den Markt, Geschwindigkeit und Verweildauer in bestimmten Bereichen konnten wir acht Arten von Einkaufstouren ermitteln. „Unstrukturiertes Nachkaufen“ zum Beispiel zeichnet sich durch eine hohe zurückgelegte Entfernung aus, während „Spezialmission“ und „Last-Minute-Einkauf“ vor allem durch eine hohe Geschwindigkeit auffielen. In Verbindung mit Umfragen und Umsatzdaten lassen sich zudem noch detailliertere Verhaltensunterschiede zwischen den Segmenten herausarbeiten. Solche Daten ermöglichen gezieltes Targeting von Kunden in Abhängigkeit ihres Einkaufsverhaltens, zum Beispiel Erinnerungen für häufig vergessene Artikel bei unstrukturierten Nachkäufen, ein optimiertes Category-Management und Zweitplatzierungen mit sinnvollen Bundles für Spezialmissionen und speziell für Last-Minute-Einkäufe konzipierte Gänge im Supermarkt.
Entscheidungen beobachten: Interaktion am Regal
Wie sich Einkäufer vor dem Regal verhalten, liefert weitere Informationen. Kameras an der Decke oder an den Regalen ermöglichen in Verbindung mit intelligenten Algorithmen das Ermitteln von bestimmten Verhaltensweisen. Die Palette reicht von relativ groben Unterscheidungen zwischen Vorbeigehen und Stehenbleiben bis hin zur Erfassung von Handbewegungen und Interaktionen mit Produkten. Die Ergebnisse zeigen Bereiche auf, die außergewöhnlich viel oder wenig Aufmerksamkeit in Form von Stehenbleiben oder Produktinteraktionen erhalten. So können Händler zum Beispiel ermitteln, welche Artikel Kunden häufig in die Hand nehmen, dann aber wieder zurücklegen. Eine weitere Analyse kann klären, warum die Kunden das Produkt trotz des anfänglichen Interesses doch nicht kaufen. Aus unserer eigenen Erfahrung mit der Erfassung von Regalinteraktionen wissen wir jedoch, dass solche Daten heute noch viele Fehlklassifikationen enthalten können und sehr vorsichtig ausgewertet und analysiert werden müssen. Inzwischen arbeiten aber eine Reihe von Technologieunternehmen an diesem Problem. Amazon GO verlässt sich sogar schon bei der Ermittlung des Rechnungsbetrags auf Regalerfassungstechnologien. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Technologie sich schon relativ bald so weit verbessern wird, dass eine zuverlässige Anwendung für Händler möglich wird.
Gesichtserkennung: Kundenprofile ohne Registrierung
Moderne POS-Systeme ermöglichen eine effiziente und schnelle Erfassung, welche Produkte wo und zu welchem Preis gekauft werden. Was fehlt, sind Informationen über den Kunden – darüber, wer eigentlich ein bestimmtes Produkt kauft. Selbst einfache Kundenprofile auf Basis von soziodemografischen Faktoren wie Altersgruppe, Geschlecht und ob der Einkäufer allein ist oder in Begleitung, können zu einer zielgruppengerechteren Kommunikation beitragen. Inzwischen gibt es intelligente Kameras, die anhand der aufgenommenen Gesichter automatisch das Alter schätzen und das Geschlecht bestimmen. Gespeichert werden nur diese Metadaten, nicht aber das Gesicht an sich, entsprechend den strengen Regeln der EU-Datenschutzgrundverordnung, die festlegen, welche persönlichen Daten nur mit ausdrücklicher Genehmigung gespeichert werden dürfen. POS-Systeme, die mit dem anonymisierten Videoanalysetool AVARD ausgestattet sind, das vom Fraunhofer Institut entwickelt und mit dem Europäischen Datenschutz-Gütesiegel zertifiziert wurde, können jeder erfassten Verkaufstransaktion Kundendaten hinzufügen. Trotz Datenschutzzertifizierung müssen solche Technologien aber vorsichtig eingesetzt werden und dem Bedürfnis der Menschen nach Transparenz und Kontrolle Rechnung tragen. Ein deutscher Einzelhändler löste mit der Einführung eines solchen Systems vor Kurzem einen öffentlichen Aufschrei aus und ließ die Technologie kurze Zeit später wieder fallen. Um den Bedenken und Widerständen der Verbraucher gerecht zu werden, sollten Händler nach Möglichkeiten suchen, wie auch die Kunden profitieren können, und diese entsprechend kommunizieren.