Starkes Marketing beginnt im Aufsichtsrat: Holen Sie das Board an Bord!
In den vergangenen 15 Jahren hat der Einfluss des Marketings in Unternehmen spürbar abgenommen. Dies zeigt sich unter anderem an der sinkenden Präsenz von Marketern in Spitzenpositionen sowie am schrittweisen Verlust ihrer Entscheidungskompetenz in zentralen Bereichen wie Preisgestaltung, Produktentwicklung und Kundenstrategie. So zeigt eine aktuelle Studie, die ich gemeinsam mit Kollegen durchgeführt habe, dass der Anteil von Unternehmen mit einem Marketingverantwortlichen im Topmanagement von 37,0 % im Jahr 2007 auf 28,9 % im Jahr 2021 gesunken ist. Obwohl zahlreiche Studien belegen, dass starke Marketing-Leadership mit einer besseren Unternehmensleistung einhergeht, hat die strategische Bedeutung des Marketings dennoch abgenommen. Diese Entwicklung ist riskant, denn Marketing ist zentral für organisches Wachstum, Kundengewinnung und -bindung sowie den Aufbau des Markenwerts. Jüngere Erkenntnisse deuten jedoch darauf hin, dass bei der Frage, wie das Marketing wieder mehr Einfluss gewinnen kann, bislang ein strategischer Faktor übersehen wurde: die Rolle von Aufsichtsräten und deren Vernetzung.
Board-Interlocks als strategischer Hebel
Board-Interlocks – also die Praxis, dass Aufsichtsratsmitglieder gleichzeitig in mehreren Unternehmensgremien tätig sind – fungieren als Kanäle für Marketingwissen und Best Practices. Die zentralen Ergebnisse unserer Studie (siehe Box 1) zeigen: Unternehmen, die über ihr Board mit Firmen verflochten sind, in denen das Marketing strategisch stark aufgestellt ist, stärken mit höherer Wahrscheinlichkeit auch die eigene Marketingfunktion. Abbildung 1 zeigt den positiven Zusammenhang zwischen der Stellung des Marketings in Board-vernetzten Unternehmen und den untersuchten Unternehmen. Erhöht sich der Marketingeinfluss in den Board-vernetzten Unternehmen von niedrig über mittel auf hoch, steigt auch bei den untersuchten Unternehmen der Anteil derer, die über ein starkes Marketing verfügen – von 35,7 % über 53,3 % auf 60,9 %. Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit für Marketer, aktiv den Dialog mit dem Board zu suchen und Interlock-Netzwerke gezielt zu nutzen, um die strategische Rolle des Marketings wieder zu stärken.


Wie Unternehmen von Board-Verflechtungen profitieren
Warum manche Unternehmen stärker von vernetzten Boards profitieren als andere, war ebenfalls Gegenstand unserer Studie. Wir haben drei Dimensionen – Reichweite, Informationsvielfalt und Aufgeschlossenheit – getestet und bestätigt, dass diese in Bezug auf den Einfluss des Aufsichtsrates zur Stärkung der Marketingfunktion eine entscheidende Rolle spielen (siehe Abbildung 2). Unternehmen mit breiten, jedoch weniger stark vernetzten Board-Interlock-Netzwerken – und damit größerer Reichweite – sowie mit Verbindungen zu Firmen aus ähnlichen Branchen – also höherer Informationsvielfalt – erzielen den stärksten Aufsichtsrats-Einfluss auf die Macht des Marketings. Darüber hinaus zeigten Unternehmen mit einem Marketingexperten im Vorstand oder im Führungsteam eine höhere Aufgeschlossenheit und Bereitschaft, Marketingkenntnisse aus den über das Board verknüpften Unternehmen zu nutzen. Dies unterstreicht den Zusammenhang zwischen Governance-Strukturen und Marketingeinfluss und bestätigt die wichtige Rolle von Board-Interlocks für den Gestaltungsspielraum des Marketings.

Wie Boards den Bedeutungsverlust des Marketings aufhalten und umkehren können
Aufsichtsräte bestimmen den strategischen Kurs eines Unternehmens und kontrollieren das Topmanagement. Wie sie den Nutzen des Marketings bewerten, beeinflusst dessen Stellung im Unternehmen unmittelbar. Da Board-Netzwerke den Einfluss des Marketings im Unternehmen stärken können, kommt Aufsichtsräten eine wichtige Rolle zu – und zwar in dreierlei Hinsicht:
> Marketing nicht nur als Kostenstelle betrachten
Erstens sollten Aufsichtsräte aktiv der Fehlannahme entgegentreten, Marketing sei lediglich ein Kostenfaktor und sollten dessen Beitrag zur Umsatzgenerierung und Unternehmenswertsteigerung anerkennen. Zudem sollten sie sicherstellen, dass die Marketingstrategie auf die Unternehmensstrategie abgestimmt ist. Durch die Integration von Marketing in die übergreifenden strategischen und finanziellen Ziele können Aufsichtsräte ein Umfeld schaffen, in dem Marketing als Wachstumstreiber und nicht als unterstützende Funktion wahrgenommen wird.
> Marketingpräsenz im Topmanagement stärken
Zweitens sollten sich Aufsichtsräte für eine stärkere Marketingvertretung im Topmanagement einsetzen. Ein entscheidender Indikator für den Einfluss des Marketings ist die Präsenz von Marketingfachleuten im Executive Team. Aufsichtsräte sollten bei der Bestellung von CEOs auf Marketingkompetenz achten und sich dafür einsetzen, dass CMOs im inneren Führungskreis vertreten sind. Auch eine stärkere Vertretung von Marketingexperten in Aufsichtsräten ist vorteilhaft. Da Unternehmen finanziell von einer starken Marketingfunktion profitieren können, trägt die Einbindung von Marketern auf Board-Ebene zu einer besseren Abstimmung zwischen Marketingzielen und Unternehmensstrategie bei – und fördert eine Unternehmenskultur, in der Marketing als zentraler Erfolgsfaktor und nicht nur als unterstützende Funktion gilt.
> Wissenstransfer in alle Richtungen fördern
Drittens können Aufsichtsräte ihre Board-Interlocks nicht nur zur Weitergabe von Best Practices nutzen, sondern auch, um voneinander zu lernen. Die Aufsichtsräte können als Wissensmultiplikatoren fungieren und Einblicke in erfolgreiche Marketingstrategien geben. Personen aus Unternehmen mit starker Marketingfunktion können deren Governance-Modelle in Organisationen einbringen, in denen Marketing weniger Einfluss hat – und so dessen strategische Rolle stärken. Und da Unternehmen zunehmend unter dem Druck stehen, mehr organisches Wachstum zu erzielen, können Aufsichtsräte zudem aktiv erprobte Marketingstrategien aus ihren Netzwerken übernehmen und zur Anwendung bringen.
Um dem Bedeutungsverlust des Marketings entgegenzuwirken und den Einfluss von Aufsichtsräten gezielt zu nutzen, sollten Marketer proaktiv den Dialog mit dem Aufsichtsrat suchen.
Wie Marketingverantwortliche Aufsichtsräte effektiver einbinden können
Um dem Bedeutungsverlust des Marketings entgegenzuwirken und den Einfluss von Aufsichtsräten gezielt zu nutzen, sollten Marketer proaktiv den Dialog mit dem Aufsichtsrat suchen.
> Aufsichtsräte zur Einbindung marketingrelevanter Mitglieder ermutigen
Marketingverantwortliche sollten ihre Aufsichtsräte strategisch dabei unterstützen, sich mit anderen Boards so zu vernetzen, sodass Board-Interlocks das eigene Marketing stärken. Sie sollten ihre Aufsichtsräte dazu ermutigen, Personen aufzunehmen, die bereits in Boards von Unternehmen mit starker Marketingfunktion tätig sind. Darüber hinaus sollten sie das Board dazu anregen, seine Reichweite zu vergrößern und sich mit Unternehmen zu vernetzen, die noch mit keinem anderen im Board vertretenen Unternehmen vernetzt sind. Dies reduziert Redundanzen und fördert die Vielfalt strategischer Perspektiven im Hinblick auf die Rolle des Marketings als Wachstumsmotor. Dazu empfiehlt es sich, Kontakt zu Unternehmen in verwandten Branchen suchen, da sich die gewonnenen Einblicke dann besser auf die eigene Situation übertragen lassen. CMOs sollten außerdem für mehr Aufgeschlossenheit gegenüber den Informationen aus dem Board sorgen. Unternehmen, in denen das Marketing bereits im Board oder Topmanagement vertreten ist, fällt dies leichter.
> Aufsichtsräte aktiv mit Marketing und dessen finanziellem Beitrag konfrontieren
Marketingverantwortliche sollten ihrem Board verdeutlichen, wie stark ihre Funktion zum Unternehmenserfolg beiträgt. Da es Aufsichtsräten vor allem um Wachstum und Shareholder-Value geht, sollten CMOs die Wirkung des Marketings anhand konkreter Finanzkennzahlen kommunizieren – etwa in Bezug auf Umsatz, Profitabilität sowie Kundenakquise und -bindung. Obwohl Unternehmen durch die effektive Nutzung von Marketing Analytics eine signifikante Steigerung der Kapitalrendite erzielen können, besteht bei vielen Führungskräften weiterhin Skepsis gegenüber deren Nutzen. Um dem zu begegnen, ist der Aufbau von Marketingverständnis auf Vorstandsebene entscheidend. Marketer sollten zeigen, wie datengetriebene Marketingstrategien nicht nur einen Kundennutzen schaffen, sondern auch direkt zur Unternehmenswertsteigerung beitragen. Die Verbindung von „Kundenwert-Kennzahlen“ mit „Unternehmenswert-Kennzahlen“ stärkt die Position des Marketings im Aufsichtsrat und unterstützt dessen Wahrnehmung als strategischer Werttreiber statt als Kostenstelle.
Holen Sie das Board an Bord, um das Marketing im Topmanagement zu verankern
Der Bedeutungsverlust des Marketings ist weder unausweichlich noch unumkehrbar. Marketingverantwortliche sollten Board-Interlocks gezielt als strategischen Hebel für mehr Einfluss nutzen. Sie können ihre Aufsichtsräte aktiv einbinden, indem sie deren Vernetzung mit anderen Unternehmen mitgestalten. Da Board-Interlocks als Kanäle für den Transfer von Marketingwissen fungieren, profitieren insbesondere jene Unternehmen, die mit Firmen mit starker Marketingfunktion vernetzt sind – ihre eigene Marketingmacht wird dadurch gestärkt.
Aufsichtsräte wiederum haben die Möglichkeit, als Fürsprecher des Marketings zu agieren – indem sie dessen Bedeutung anerkennen und sich für Marketingkompetenz im Topmanagement und im Aufsichtsrat einsetzen. Durch eine enge Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat und eine klare Kommunikation der Marketingbeiträge zum Unternehmenserfolg können Marketingverantwortliche dafür sorgen, dass Marketing-Leader dauerhaft im Führungszirkel bleiben. Zögern Sie also nicht und holen Sie das Board an Bord!
LITERATURHINWEISE
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