Starkes Marketing – Erfolg über Generationen
334 Jahre alt und trotzdem wie ein Start-up agieren? Für die Nolet Distillery kein Widerspruch. Kundenfokus, Experimentierfreude und authentisches Storytelling haben das Unternehmen über drei Jahrhunderte hinweg wettbewerbsfähig und relevant in der Spirituosenbranche gehalten. In unserem Gespräch erklärt Carolus Nolet III – Familienmitglied in der 12. Generation und Präsident der Marke ROLUS, dem ersten alkoholfreien Getränk des Unternehmens –, wie der Familienbetrieb seine tief verwurzelte Tradition mit modernem Marketing, Innovationskraft und Agilität verbindet. Marketing war schon immer das Herzstück des Unternehmens – mit einer authentischen Ansprache, die Herz und Hirn der Kunden und Kundinnen erreicht. Carolus spricht über die Entwicklung der Marketingfunktion, die bewusste Integration von KI und die dauerhafte Bedeutung von Empfehlungen – und gibt zugleich praktische Ratschläge für Marketer, die relevant bleiben und mit klarer Haltung führen wollen.
Frank: Sie sind stark engagiert in Ihrem Familienunternehmen, der Nolet Distillery. Können Sie uns etwas über sich und Ihre derzeitige Position erzählen?
Carolus III: Unser Familienunternehmen besteht seit 334 Jahren, hat seinen Sitz in den Niederlanden und drei Generationen sind noch immer täglich im Betrieb engagiert – von meinem Großvater, über meinen Vater und Onkel bis hin zu mir. Ich bin der Erste in meiner Familie, der in den USA geboren wurde, und der Erste, der einen Bachelor-Abschluss erworben hat – in Marketing an der University of Notre Dame. Historisch gesehen sind wir im Spirituosengeschäft tätig, aber vor kurzem habe ich die Einführung unseres ersten alkoholfreien Produkts geleitet: ROLUS, ein sprudelndes Hydrationsgetränk. Ich bin derzeit Präsident von ROLUS und stark in alle Aspekte unseres Unternehmens involviert, wobei Innovation und Marketing im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen.
Die Geschichte Ihres Unternehmens ist wirklich beeindruckend. Heute möchten wir uns auf das Marketing konzentrieren, seine Rolle in Ihrem Unternehmen und wie es sich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Haben Ihre Marketingmitarbeiter Einfluss auf wichtige Wachstumshebel wie Preisgestaltung, Produktstrategie und Kundenerfahrung?
Ja, das Marketing hat Verantwortung für diese Bereiche. Die Nolet Familienmitglieder sind eng in die Entscheidungsfindung eingebunden und es ist für uns von entscheidender Bedeutung, die Produktentwicklung, die Preisgestaltung und das Kundenerlebnis von Anfang bis Ende voranzutreiben. Wir glauben, dass Marketing auf den Bedürfnissen der Kunden basieren muss. Mein Großvater, Carolus Nolet Sr., war ein Verfechter des Word-of-Mouth-Marketings, und obwohl wir heute moderne Tools nutzen, um diesen Ansatz zu verstärken, bleibt das Prinzip dasselbe: den Kunden kennen und ihm einen Mehrwert bieten.
Sollten CMOs Ihrer Meinung nach für das gesamte Unternehmenswachstum verantwortlich sein, beispielsweise für die Steigerung des Umsatzes? Oder sollten sie sich besser auf Top-of-Funnel-Aktivitäten konzentrieren, während andere Teams für die Konversion und die Kaufphase zuständig sind?
Ich denke, das hängt von Branche und Unternehmensstruktur ab, aber in unserem Fall sollte der CMO die volle Verantwortung für das Wachstum tragen. Marketingleiter verfügen heute mehr denn je über Tools um jede Phase des Funnels transparent zu beeinflussen. Mein Vater, Carolus Nolet Jr., erinnert mich ständig daran, wie wichtig es für das Marketing ist, auf den Vertrieb zu hören. Dennoch wissen wir, dass letztlich das Marketingteam dafür verantwortlich ist, alle Daten des Vertriebsteams sowie die Daten aus sämtlichen Tools und Recherchen zusammenzuführen. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass der CMO und sein Team die Marke über alle Kanäle hinweg steuern und für messbares Unternehmenswachstum verantwortlich gemacht werden sollte.

In vielen Unternehmen hat der Einfluss der Marketingfunktion abgenommen. Was hilft Marketern in Ihrem Unternehmen, ihre strategische Rolle zu behaupten oder zurückzugewinnen?
Wir haben den Einfluss des Marketings gesichert, indem wir uns auf die Authentizität unserer Marken konzentrieren. Wir bleiben unseren Kernwerten treu und glauben an uns als Marke. Letztendlich ist das der Schlüssel zum Erfolg. Außerdem sind die Kunden heute viel smarter – sie wollen nicht nur einen coolen Slogan oder eine hübsche Verpackung. Deshalb konzentrieren wir die Kommunikation stark auf das, was das Produkt ausmacht – Details wie glutenfrei, gentechnikfrei oder verantwortungsvoll hergestellt in einem Familienbetrieb. In unserem Storytelling sprechen wir Herz und Hirn der Kunden an. Weiterempfehlungen sind nach wie vor äußerst wirkungsvoll und wir bemühen uns, sie durch echtes Engagement und hervorragende Produkte zu verdienen. Diese konsequente Ausrichtung trägt dazu bei, dass das Marketing eine zentrale strategische Funktion in unserem Unternehmen bleibt.
Durch welche Maßnahmen haben Sie sichergestellt, dass Marketing nicht nur der Kommunikationsbereich ist, sondern auch die Geschäftsstrategie und Innovation vorantreibt?
Bei uns treibt Marketing nicht nur die Kommunikation, sondern auch die strategische Ausrichtung und Innovation maßgeblich voran. Viele Führungskräfte und Familienmitglieder – mich eingeschlossen – sind im Herzen Marketer. Diese Basis ermöglicht es uns, schnell zu handeln und einen direkten Draht zu unseren Kunden zu pflegen. Unsere Entscheidungen basieren auf Daten und Intuition. Als wir ROLUS, unser erstes Hydrationsgetränk, auf den Markt brachten, haben wir nicht auf perfekte Daten gewartet. Wir waren von dem Konzept überzeugt und haben entschlossen gehandelt. Schnelligkeit ist wichtig und wir nutzen Intuition und Erkenntnisse, indem wir Ideen kontinuierlich testen, den Konsumenten zuhören und uns auf ihr Feedback einstellen. Bei Nolet folgt das Marketing nicht der Strategie – es gibt sie vor.
Wie hat Ihre Organisation das Marketing an veränderte Kundenerwartungen, neue Technologien und den wachsenden Druck zur Steigerung des Wachstums angepasst?
Neue Technologien und Plattformen verändern, wie wir mit Konsumenten in Kontakt treten. Wir können heute relevanter, reaktionsschneller und persönlicher sein als je zuvor. Von KI und E-Mail-Marketing bis hin zu sozialen Medien und kreativen Inhalten nutzen wir eine Vielzahl von Tools, um über alle Kanäle hinweg ein konsistentes und dennoch maßgeschneidertes Markenerlebnis zu bieten. Die heutigen Konsumenten erwarten, dass sie mit Marken nahtlos über mehrere Kanäle hinweg interagieren können. Bei Events nutzen wir beispielsweise Geofencing und Retargeting, um mit den Teilnehmern in Kontakt zu bleiben. So können wir besser verstehen, wer sich mit unserer Marke beschäftigt, und mit relevanten Inhalten nachfassen, sei es über digitale Anzeigen oder personalisierte E-Mails. Wir bauen Event-Erlebnisse zu fortlaufenden Dialogen aus, bleiben so im Gedächtnis und stärken Beziehungen. In wettbewerbsintensiven Märkten ist dieser Omnichannel-Ansatz zu einem wichtigen Wachstumsmotor geworden.
Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Kennzahlen, die Unternehmen zur Bewertung eines CMOs priorisieren sollten?
Engagement ist absolut entscheidend. Ich persönlich lege großen Wert auf die Besuchszahlen unserer Website, dem Zentrum unserer Markenidentität. Dort erzählen wir unsere Geschichte und vermitteln den Besuchern ein umfassendes Bild davon, wer wir sind und wofür wir stehen. Außerdem bietet sie uns zusätzliche Konversationschancen. Mit Retargeting-Tools und anderen Plattformen können wir Besucher mit für ihre Interessen relevanten Inhalten erneut ansprechen. Wenn sie ihre E-Mail-Adresse oder Telefonnummer angeben, können wir sie mit ansprechenden Inhalten kontaktieren. Menschen sollten dorthin geleitet werden, wo die Marke authentisch präsentiert wird. Für uns ist das unsere Website. Sie ist das Herzstück unserer Botschaft. Dort finden die Menschen Antworten, erfahren mehr und können eine tiefere Verbindung zu unserer Marke aufbauen. Daher machen wir den CMO also aus der Perspektive eines klassischen Sales Funnels verantwortlich: für den Website-Traffic im oberen Bereich, für Retargeting im mittleren Bereich und für die Verkäufe im unteren Bereich.
Welchen Beitrag hat Ihr Marketingteam bei der Einführung von KI geleistet, sowohl gegenüber Kunden als auch für interne Entscheidungsprozesse?
KI ist ein Tool, das uns wirklich begeistert, da es uns hilft, effizienter zu arbeiten und weiter zu denken. Dennoch steht für uns der Mensch an erster Stelle. Wir verlassen uns auf unseren Verstand und unser Bauchgefühl, um durch KI unsere Fähigkeiten zu verbessern, nicht um sie zu ersetzen. Unser Marketingteam war Pionier bei der KI-Nutzung, beispielsweise um erste Entwürfe für Skripte zu erstellen oder Konzepte vor der Videoproduktion zu visualisieren. Diese Tools verschaffen uns einen Vorsprung, aber Kreativität und endgültige Entscheidungen bleiben immer in menschlicher Hand. Das ist wichtig, damit unsere Marke authentisch und persönlich bleibt.
Ich bin ich fest davon überzeugt, dass der CMO und sein Team die Marke über alle Kanäle hinweg steuern und für messbares Unternehmenswachstum verantwortlich gemacht werden sollte.
Welche Herausforderungen gab es bei der Integration von KI in Marketingprozesse und wie haben Sie diese bewältigt?
Am schwierigsten war es, der Versuchung zu widerstehen, unausgereifte oder zu stark automatisierte KI-Tools einzusetzen, insbesondere in Bereichen, in denen Authentizität eine wichtige Rolle spielt. Chatbots oder automatisierte Kommentare wirken aktuell oft noch sehr künstlich und können deshalb die aufrichtige Beziehung zu unseren Kunden beeinträchtigen. Man muss da eine gute Balance finden. Wir nutzen KI, um die Effizienz zu steigern, beispielsweise bei der Content-Erstellung, oder um einfache Fragen zu beantworten. Wenn es jedoch um nuancierte, bedeutungsvolle Kommunikation geht, setzen wir auf Menschen. So schützen wir die Integrität unserer Marke und die Beziehungen, die wir aufbauen wollen.
Agilität ist heute auch im Marketing entscheidend. Welche Strukturen oder Praktiken hat Ihr Unternehmen eingeführt, um sicherzustellen, dass das Marketing schnell reagieren und sich an schnell ändernde Marktbedingungen anpassen kann?
Wir arbeiten wie ein 334 Jahre altes Start-up, das auf einer jahrhundertelangen Tradition basiert, aber die Denkweise und Agilität einer modernen Marke hat. Wir testen ständig, sei es durch A/B-Experimente, Kundenfeedback oder Echtzeitdaten aus sozialen Plattformen. So können wir schnell erkennen, was Anklang findet, und Aktivitäten spontan anpassen. Kundennähe und schnelle Experimente sind zentral für unsere Arbeit. So können wir schnell reagieren, auf Marktdynamiken reagieren und dennoch unserer langfristigen Markenvision treu bleiben.

Sie haben erwähnt, dass Word of Mouth in Ihrem Unternehmen eine wichtige Rolle spielt – und dass bereits Ihr Großvater dessen Wert erkannt hat. Nutzen Sie Influencer-Marketing als Teil Ihrer Gesamtstrategie, um Empfehlungen zu generieren? Wie fördern Sie Word of Mouth heute?
Influencer-Marketing ist ein zentraler Bestandteil unserer Strategie und unserer täglichen Arbeit. Wir arbeiten mit Influencern zusammen, die unsere Markenwerte reflektieren. Wenn die richtigen Personen die richtige Story an die richtigen Leute bringen, hat man Erfolg – insbesondere in sozialen Medien, wo sich Inhalte schnell und organisch verbreiten. Wir beobachten genau, wie Menschen über unsere Marken sprechen, und haben festgestellt, dass authentisches Storytelling von glaubwürdigen Partnern zu messbaren Zuwächsen bei Bekanntheit und Engagement führt. Klassische Weiterempfehlungen sind nach wie vor sehr wirkungsvoll und wir investieren auch weiterhin in traditionellere Influencer – wie Barkeeper. Sie spielen eine wichtige Rolle für das Kundenerlebnis und die Produktauswahl. Ob sie nun einen Cocktail empfehlen oder einen individuellen Drink mixen – wir möchten sicherstellen, dass sie die besten Produkte zur Verfügung haben, um unvergessliche Momente zu schaffen. Dieser persönliche Kontakt am Point of Service hat bei uns einen hohen Stellenwert.
Wir haben viel über Social Media und digitale Marketinginstrumente gesprochen. Vor dem Hintergrund, dass traditionelle Kanäle nach wie vor einen erheblichen Anteil an Ihrem Geschäft ausmachen, würde mich interessieren, welche Rolle diese Kanäle in Ihrer Gesamtstrategie spielen?
Digitale Kanäle sind für die Kundenbindung sehr wichtig, aber unser Hauptumsatz wird nach wie vor über traditionelle Vertriebskanäle erzielt. Die Gastronomie – insbesondere Bars und Restaurants – bilden nach wie vor einen Schwerpunkt. Wir legen einen starken Fokus auf „Liquid to lips“-Strategien und Verkostungen. Über digitale Kanäle können wir Beziehungen aufzubauen, unsere Geschichte erzählen und die Customer Journey steuern, aber bezüglich Umsatz sind die klassischen Kanäle immer noch führend. Außerdem sind persönliche Erlebnisse nach wie vor unverzichtbar, um unsere Marke zum Leben zu erwecken – sei es bei lokalen Verkostungen oder bei Großveranstaltungen wie der Formel 1. Dort können wir echte, dauerhafte Verbindungen zu Menschen aufbauen. Das können digitale Kanäle allein nicht vollständig ersetzen.
Welche Ratschläge haben Sie für Marketer, deren Einfluss in ihren Organisationen bedroht ist?
Verzetteln Sie sich nicht, indem Sie jedem neuen Trend oder Tool hinterherlaufen – Fokus ist entscheidend. Seien Sie sich klar darüber, welche Aktivitäten und Technologien Ihr Unternehmensziel wirklich unterstützen. Es ist großartig, Neues auszuprobieren, aber Sie müssen priorisieren, was tatsächlich Mehrwert schafft. Wenn das Marketing diszipliniert bleibt, sich an den übergeordneten Unternehmenszielen ausrichtet und die Treiber des Geschäfts versteht, gewinnt es Vertrauen – und genau das stärkt seinen Einfluss innerhalb der gesamten Organisation.
Worauf sollte sich Ihrer Meinung nach ein CMO in den ersten 100 Tagen in einem neuen Unternehmen konzentrieren? Was ist Ihr Rat?
In den ersten 100 Tagen würde ich Führungskräften raten, ihrer Intuition zu vertrauen und sich auf die Kernstrategie zu konzentrieren. Frühe Daten können irreführend sein – ein Anstieg der Interaktion um 200 % kann beispielsweise aus ein paar zusätzlichen Likes entstehen und taugt kaum als Entscheidungsgrundlage. Tests und Experimente sind wichtig, aber jagen Sie nicht jedem neuen Trend hinterher. Bleiben Sie bei dem, was Sie kennen, verlassen Sie sich auf Ihr Gefühl und bleiben Sie konsequent. Nach 100 Tagen werden Sie ein viel klareres Bild davon haben, was wirklich funktioniert, und können besser abgesichert weitere Schritte wagen.
Welche Fähigkeiten sind Ihrer Meinung nach für die nächste Generation von Marketing-Führungskräften am wichtigsten?
Neugier und Kommunikationsfähigkeit sind wesentlich. Gute Marketingleiter stellen Fragen, testen Ideen und bleiben nah an ihren Kunden, um deren sich wandelnde Bedürfnisse wirklich zu verstehen. Keine Technologie kann den Wert echter Gespräche oder den Wunsch, direkt von eigenen Zielgruppen zu lernen, ersetzen. Kreative Ideen und fundierte Insights entstehen durch Gespräche mit Menschen und aus vertrauensvollen Beziehungen – nicht nur durch Algorithmen oder Chatbots. Und es geht auch um Begeisterung: Eine echte Leidenschaft für Produkte und Prozesse kann zum entscheidenden Faktor werden.
Herzlichen Dank für das inspirierende Gespräch – es war mir eine große Freude. Ihre Leidenschaft, der Respekt für Tradition und Ihr Blick nach vorn im Marketing haben mich sehr beeindruckt. Ich wünsche Ihnen und Ihrem Team weiterhin viel Erfolg und alles Gute für die nächsten Kapitel Ihrer Unternehmensgeschichte.










