Markenbooster Augmented Reality: Wann und wie AR wirkt
Augmented Reality kann Produkten und Marken Mehrwert verleihen
Immer mehr Manager erkennen das enorme Potenzial von Augmented Reality (AR) als Teil ihrer Marketingstrategien. Im Gegensatz zu Virtual Reality (VR), bei der die Nutzer über ein Headset in eine virtuelle Welt eintauchen, integriert AR virtuelle Inhalte in die physische Umgebung der Konsumenten. IKEA Place und Dulux Visualizer sind prominente Beispiele für AR-Anwendungen, mit deren Hilfe sich virtuelle Möbelstücke oder Farben in der eigenen Wohnumgebung testen lassen. AR-Spiele wie Pokémon Go können als Teil des Produktmix neue Umsatzströme generieren, und die AR-Funktionen, die Lego für sein Spielzeug anbietet, zeigen, dass AR auch einen Mehrwert für traditionelle physische Produkte erzeugen kann. Obwohl AR nicht neu ist, erlebt sie derzeit einen Durchbruch. Fast alle heutigen Smartphones verfügen über integrierte AR-Funktionen. Kameras und Lidar-Scanner können atemberaubende Scans der Nutzerumgebung erstellen, Algorithmen Objekte in Echtzeit interpretieren. Neue Entwickler-Tools ermöglichen es Unternehmen, AR-Erlebnisse viel effizienter zu gestalten als noch vor einigen Jahren. In naher Zukunft können wir modische und ergonomische AR-Brillen erwarten, die Konsumenten den ganzen Tag über tragen können.
Während das Metaverse als rein virtuelle Welt noch eine Vision bleibt, können Marken bereits heute von AR-Anwendungen profitieren.

AR kann einen Mehrwert für traditionelle physische Produkte erzeugen.
Die verschiedenen Formen von AR
AR unterscheidet sich durch den Grad der „lokalen Präsenz“, der beschreibt, inwieweit die Nutzer virtuelle Inhalte als tatsächlich in ihrer lokalen physischen Umgebung vorhanden wahrnehmen. Abbildung 1 zeigt die Bandbreite möglicher AR-Anwendungen und -Erfahrungen auf unterschiedlichen Ebenen. In Situationen der Assisted Reality, wie bei Navigationssystemen, die auf der linken Seite der Abbildung dargestellt sind, ist die lokale Präsenz der AR gering und die Konsumenten können virtuelle Objekte deutlich von realen unterscheiden. Bereits das kann sehr hilfreich sein. In einigen Anwendungsfällen können solche einfachen AR-Funktionen, bei denen Inhalte klar als hineinprojiziert und nicht als tatsächlich vorhanden erkenntlich sind, sogar bevorzugt werden. Beispiele dafür sind Montageanleitungen für ein neu gekauftes Produkt oder ein Navigationssystem in einem Einkaufszentrum. Die Fortschritte bei Rendering, Tracking und Inhaltsqualität ermöglichen es Entwicklern jedoch, die lokale Präsenz auf ein immer höheres Niveau der Mixed Reality zu bringen, wie in den beiden Anwendungen in Abbildung 1 (rechts). Während sich ein Großteil der derzeitigen Begeisterung für neue Realitätsformate auf Virtual Reality und die Vision eines Metaverse als rein virtuelle Welt bezieht, liegt in AR momentan wohl tatsächlich mehr Potenzial. So lässt sich beispielsweise eine AR-Schicht über die reale Erfahrungswelt legen, die sowohl von Konsumenten als auch von Marken mit virtuellen Inhalten gefüllt wird und so eine neue, gut in die physische Welt integrierte Form des dreidimensionalen Internets ermöglicht. Obwohl die Entwicklung solcher Szenarien für Technologieunternehmen oberste Priorität hat, ist diese Vision noch eher futuristisch. Die aktuell verfügbaren AR-Anwendungen können jedoch bereits heute einen echten Mehrwert im Marketing schaffen, wenn sie effektiv eingesetzt werden. Aktuelle Studien und Fallbeispiele aus der Industrie zeigen Effekte wie Umsatzsteigerungen oder eine positivere Markenwahrnehmung.
Wie AR beim Aufbau von Marken hilft
Umfragen unter Führungskräften zeigen, dass AR vor allem zur Markenbildung eingesetzt wird, während man finanzielle Ziele eher erst zukünftig mit AR verknüpfen möchte. Obwohl viele Marken bereits AR nutzen und wohl auch davon profitieren, wollen die Manager verstehen, warum und wie AR funktioniert. Wir werden uns hier auf zwei wichtige Mechanismen konzentrieren, die die Wirksamkeit von AR im Branding erklären, nämlich Inspiration und Nähe. Außerdem diskutieren wir, wie AR die Markenbewertung und die emotionale Beziehung zwischen Konsumenten und Marken beeinflusst, die beide als wichtige Erfolgsindikatoren (KPIs) im Branding gelten.

Inspiration scheint ein äußerst relevanter Indikator zu sein, den Marketingmanager bei der Bewertung von AR-Anwendungen berücksichtigen sollten.
> AR inspiriert Konsumenten und macht Marken sympathisch
Eine Marke zu mögen bedeutet, dass man ihr gegenüber sehr positiv eingestellt ist. Solche Markeneinstellungen ergeben sich aus den Assoziationen, die Konsumenten mit einer Marke verbinden. Wenn die Assoziationen überwiegend positiv sind, z. B. eine hohe Qualität, ein fairer Preis oder ein gutes Design, ist die Einstellung zur Marke in der Regel ebenfalls positiv und bleibt über die Zeit relativ stabil. Unsere tägliche Arbeit hat immer wieder gezeigt, dass AR viel Potenzial hat, Konsumenten zu inspirieren, da diese mit AR ihr Umfeld spielerisch erkunden und gestalten können. Um diese Beobachtung empirisch zu untermauern, haben wir mehrere Studien durchgeführt (siehe Box 1), die das bestätigten: AR-inspirierte Konsumenten haben tendenziell eine positivere Einstellung zu Marken als weniger inspirierte oder uninspirierte Konsumenten. Inspiration scheint ein äußerst relevanter Indikator zu sein, den Marketingmanager bei der Bewertung von AR-Anwendungen berücksichtigen sollten. Unsere Studien haben auch gezeigt, dass die Inspiration besonders hoch ist, wenn AR-Apps unterhaltsam und spielerisch gestaltet sind und der Inhalt realistisch in die physische Umgebung des Konsumenten integriert ist. Für die meisten der von uns getesteten Apps waren diese Effekte positiv, aber langweilige und unprofessionell entwickelte AR-Inhalte könnten sich für Marken auch nachteilig auswirken. Für etablierte Kennzahlen wie die Gesamtbewertung von Apps, die von Managern häufig genutzt werden, fanden wir hingegen keine vergleichbar positiven Auswirkungen.
> AR führt zu Markenliebe
Obwohl Markenliebe (Brand Love) und das Mögen einer Marke konzeptionell zusammenhängen, sind sie unterschiedlich. Während Mögen eher eine pragmatische Bewertung darstellt, ist Markenliebe eine besondere Form der Beziehung zwischen Konsument und Marke. Markenliebe ist ein komplexes und mehrdimensionales Konstrukt, dessen Ausprägungen von sehr gering bis sehr hoch reichen, auch wenn man den Begriff „Liebe“ in der Alltagssprache nur für ein sehr hohes Niveau gebraucht. Jedoch können selbst kleine Steigerungen der Markenliebe auf niedrigerem Niveau – weit unterhalb der Schwelle, bei der wir den Begriff „Liebe“ tatsächlich verwenden würden – zu deutlich mehr Mundpropaganda und Käufen führen. Tatsächlich hat eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse gezeigt, dass Markenliebe die stärkste Art der Konsumenten-Marken-Beziehung ist, wenn es darum geht, den Ertrag eines Unternehmens zu beeinflussen. Wir haben auch eine positive Wirkung auf die wahrgenommene physische Nähe zu einer Marke festgestellt, die zu Markenliebe führt. Der Einfluss auf die Markenliebe war bei bekannteren Marken stärker, was darauf hindeutet, dass Marken mit stärkeren Assoziationen beim Aufbau emotionaler Bindungen zu den Konsumenten möglicherweise stärker von AR profitieren können.
Die Zeit ist reif für AR als Branding-Tool
Manager äußern oft Zweifel, ob AR bereits einsatzfähig ist oder zur eigenen Marke passt. Das liegt meist daran, dass sie nicht viel über AR wissen und noch keine eigenen Erfahrungswerte haben. Während das „echte“ Metaverse bzw. „neue Internet“ noch eine Vision ist, können Marken heute schon von AR-Anwendungen profitieren. Spielerische, nützliche und gut entwickelte Anwendungen können zu messbaren positiven Auswirkungen auf Marken führen. Durch Fortschritt bei den Technologien ist es viel einfacher und billiger geworden, AR-Prototypen herzustellen. Wir empfehlen Managern, mit AR auf spielerische Weise zu experimentieren, um praktische Erfahrungen zu sammeln. Dies wird ihnen helfen zu verstehen, wie AR für ihre Marke von Vorteil sein kann, und erleichtert es ihnen, mit Marktbegleitern Schritt zu halten, die AR bereits einsetzen. Die gewonnenen Erfahrungen können zudem bei weiteren Schritten in einem zukünftigen Metaverse hilfreich sein.
LITERATURHINWEISE
Rauschnabel, P. A., Babin, B. J., tom Dieck, M. C., Krey, N., & Jung, T. (2022). What is augmented reality marketing? Its definition, complexity, and future. Journal of Business Research, 142, 1140–1150.
Rauschnabel, P. A., Felix, R., & Hinsch, C. (2019). Augmented reality marketing: How mobile AR-apps can improve brands through inspiration. Journal of Retailing and Consumer Services, 49, 43–53.
Rauschnabel, P. A., Felix, R., Hinsch, C., Shahab, H., & Alt, F. (2022). What is XR? Towards a framework for augmented and virtual reality. Computers in Human Behavior, 133, 107289.
Zanger, V., Meißner, M., & Rauschnabel, P. A. (2022). Beyond the gimmick: How affective responses drive brand attitudes and intentions in augmented reality marketing. Psychology & Marketing, 39(7), 1285–1301.