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Markenkannibalisierung – ein notwendiges Übel?
Mit häufigen Neuprodukteinführungen versuchen viele Unternehmen, den hohen Erwartungen an Verkaufszuwächse und Profitsteigerungen zu entsprechen. Die Marktforschungsfirma Mintel schätzt, dass in den USA im letzten Jahrzehnt jährlich 30.000 bis 40.000 neue Produkte allein im Konsumgüterbereich eingeführt wurden. Bei so vielen Markteinführungen steigt auch das Risiko, dass sie zulasten eigener Produkte gehen. Man spricht dann von Markenkannibalisierung, die Margen kosten und den Wert des Unternehmens mindern kann.
Kannibalisierung stellt ein klassisches Risiko der Neuprodukteinführung dar und sollte im Normalfall vermieden werden. Viele Unternehmer betrachten Kannibalisierung aber als notwendiges Übel und kalkulieren sie mit ein. Es gibt auch Befürworter der präventiven Kannibalisierung. Bekannt ist in diesem Zusammenhang der Spruch von Steve Jobs, der meinte: „Wenn du dich selbst nicht kannibalisierst, dann macht es ein anderer.“ Damals verzeichneten iPods stetige Verkaufszuwächse und generierten 50 % der Apple-Erträge. Jobs brachte das iPhone auf den Markt, obwohl ihm klar war, dass es das iPod-Geschäft massiv kannibalisieren und letztendlich völlig verdrängen würde. Entscheidend ist jedoch, wie sich die Kannibalisierung auf die Gesamterträge auswirkt.
Neue Produkte werden eingeführt, um neue Kunden zu gewinnen, bestehenden Konsumenten eine Neuanschaffung schmackhaft zu machen, sie von einer besseren Variante mit höheren Margen zu überzeugen oder als defensive Antwort auf Mitbewerber. Die Abbildung 1 zeigt, dass der Ertrag neuer Produkte in einer Kategorie entweder zusätzlich generiert wird oder durch Umverteilung entsteht. Im zweiten Fall kann es zu einer Kannibalisierung der eigenen Produkte kommen.
Am häufigsten kommt es zu Kannibalisierung, wenn Kunden zu neuen Produktvarianten der gleichen Marke wechseln. Kannibalisierung kommt allerdings auch im Handel vor, wenn z. B. ein Händler wie Starbucks eine weitere Filiale in der Nähe eines bestehenden Standorts eröffnet und damit von dort Kunden abzieht. Auch Vertriebskanäle können sich gegenseitig kannibalisieren, wenn z. B. ein stationärer Händler zusätzlich einen Online-Vertrieb startet. Schließlich gibt aus auch noch die zeitliche Kannibalisierung, wenn Käufe z. B. durch Verkaufspromotions nur vorgezogen werden.
Um Ertrags- und Marktanteilsverluste so gering wie möglich halten zu können, sollte man die Treiber der Kannibalisierung verstehen. Zusätzlich wichtig ist es, die Auswirkungen abzuschätzen und bei Bedarf organisatorische Begleitmaßnahmen zu treffen.